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6. Rezeptionen und Wirkungen
jenigen/ welche lasterhafft/ und deren Gewissen sehr sträfflich ist“ und die „doch
in Ruhe/ und Sicherheit desselbigen fort leben“562. Allerdings wäre eine solche
Ruhe grundsätzlich von der eines guten Gewissens zu unterscheiden. Nichts
Schlechteres gebe es - dafür war ihm ,Bernhard‘ der Gewährsmann - als ein
schlechtes Gewissen, das zugleich ruhig sei.563 Die Differenz der einen gegenüber
der anderen Ruhe liege in ihrer jeweiligen Ursache begründet, so Brean, denn
„es ist zwar eine Ruhe des Gewissens/ welche von dessen Unschuld/ und der
einwohnenden Gnad Gottes herrühret“ - von dieser müsse aber eine „Unem-
pfindlichkeit/ welche aus Schwachheit des Glaubens/ aus Blindheit des Ver-
stands/ oder/ wann auch dieser die Wunden/ Gefahr der Seelen zuweilen erken-
net/ aus Verstockung des Willens entspringet“, unterschieden werden.564 Eine
solche Ruhe deutete Brean - dies legen seine Ausführungen nahe - weniger als
Folge eines Irrtums, sondern vielmehr als das Resultat einer bewussten Entschei-
dung. Wer ein schlechtes Gewissen besaß, das dennoch ruhig blieb, der hatte sein
Gewissen dahingehend konditioniert, die natürlicherweise erwachsene Unruhe
abzutöten.
Ganz im Sinne der Texte des 12. Jahrhunderts betonte auch der Prediger des
18., dass man im Gewissen Kläger, Richter und Zeuge in einer Instanz vereint
sehen müsse; auch er geht dabei von einer Prädominanz des Gewissensurteils vor
jenem Gottes aus.565 Damit jedoch nicht ein falsches Urteil des Gewissens dem
Menschen eine mithin ebenso falsche Heilsgewissheit vorzuspiegeln vermag, ist
dieser gehalten, sich selbst zu prüfen, wie Brean betont.566 Dabei - und dies ist
gewissermaßen die Pointe seiner Predigt und damit seines Bezugs auf die vier
Arten des Gewissens - deutete der Jesuit die Unruhe des Gewissens als „aufmun-
ternde Gnaden Gottes“, mit denen dieser dem Menschen zu verstehen gibt, dass
sein Gewissen eben noch nicht im Zustand der vollkommenen Reinheit ist.567
Der Grad der Gutheit des Gewissens obliegt mithin, so lässt sich zusammen-
fassen, der Verantwortung des Menschen, seinem Denken, seinem Reden, seinem
Handeln in der Welt; Ruhe und Unruhe sind hingegen Ausweis der Nähe des
562 Ebd.
563 Ebd., S. 127. Vgl. die entsprechende Formulierung in De quattuor modis conscientiarum, cap.
II.3. Vgl. oben S. 196, Z. lOf.
564 Fr. X. Brean, Christliche Warheit, Bd. 2, Predigt 10.VII, S. 129.
565 „So ist aber unser Gewissen/ der Kläger wider uns; der Zeug von uns; der Richter über uns/ und
zwar ein solcher Richter/ dessen Ausspruch so gar Gott/ vor seinem Richter-Stul/ bestättiget;
weilen uns derselbige/ nicht soviel nach der Sach/ als nach denen Vorstellungen unseres Gewis-
sens urtheilen wird: wann nun das Gewissen uns nicht beschuldiget; dann wird uns auch Gott
nicht straffen/ viel weniger verurtheilen/ oder verstossen können.“ Fr. X. Brean, Christliche
Warh eit, Bd. 2, Predigt 10 Will, S. 129.
566 Ebd., S. 130.
567 Ebd., Predigt 10.X, S. 132.
6. Rezeptionen und Wirkungen
jenigen/ welche lasterhafft/ und deren Gewissen sehr sträfflich ist“ und die „doch
in Ruhe/ und Sicherheit desselbigen fort leben“562. Allerdings wäre eine solche
Ruhe grundsätzlich von der eines guten Gewissens zu unterscheiden. Nichts
Schlechteres gebe es - dafür war ihm ,Bernhard‘ der Gewährsmann - als ein
schlechtes Gewissen, das zugleich ruhig sei.563 Die Differenz der einen gegenüber
der anderen Ruhe liege in ihrer jeweiligen Ursache begründet, so Brean, denn
„es ist zwar eine Ruhe des Gewissens/ welche von dessen Unschuld/ und der
einwohnenden Gnad Gottes herrühret“ - von dieser müsse aber eine „Unem-
pfindlichkeit/ welche aus Schwachheit des Glaubens/ aus Blindheit des Ver-
stands/ oder/ wann auch dieser die Wunden/ Gefahr der Seelen zuweilen erken-
net/ aus Verstockung des Willens entspringet“, unterschieden werden.564 Eine
solche Ruhe deutete Brean - dies legen seine Ausführungen nahe - weniger als
Folge eines Irrtums, sondern vielmehr als das Resultat einer bewussten Entschei-
dung. Wer ein schlechtes Gewissen besaß, das dennoch ruhig blieb, der hatte sein
Gewissen dahingehend konditioniert, die natürlicherweise erwachsene Unruhe
abzutöten.
Ganz im Sinne der Texte des 12. Jahrhunderts betonte auch der Prediger des
18., dass man im Gewissen Kläger, Richter und Zeuge in einer Instanz vereint
sehen müsse; auch er geht dabei von einer Prädominanz des Gewissensurteils vor
jenem Gottes aus.565 Damit jedoch nicht ein falsches Urteil des Gewissens dem
Menschen eine mithin ebenso falsche Heilsgewissheit vorzuspiegeln vermag, ist
dieser gehalten, sich selbst zu prüfen, wie Brean betont.566 Dabei - und dies ist
gewissermaßen die Pointe seiner Predigt und damit seines Bezugs auf die vier
Arten des Gewissens - deutete der Jesuit die Unruhe des Gewissens als „aufmun-
ternde Gnaden Gottes“, mit denen dieser dem Menschen zu verstehen gibt, dass
sein Gewissen eben noch nicht im Zustand der vollkommenen Reinheit ist.567
Der Grad der Gutheit des Gewissens obliegt mithin, so lässt sich zusammen-
fassen, der Verantwortung des Menschen, seinem Denken, seinem Reden, seinem
Handeln in der Welt; Ruhe und Unruhe sind hingegen Ausweis der Nähe des
562 Ebd.
563 Ebd., S. 127. Vgl. die entsprechende Formulierung in De quattuor modis conscientiarum, cap.
II.3. Vgl. oben S. 196, Z. lOf.
564 Fr. X. Brean, Christliche Warheit, Bd. 2, Predigt 10.VII, S. 129.
565 „So ist aber unser Gewissen/ der Kläger wider uns; der Zeug von uns; der Richter über uns/ und
zwar ein solcher Richter/ dessen Ausspruch so gar Gott/ vor seinem Richter-Stul/ bestättiget;
weilen uns derselbige/ nicht soviel nach der Sach/ als nach denen Vorstellungen unseres Gewis-
sens urtheilen wird: wann nun das Gewissen uns nicht beschuldiget; dann wird uns auch Gott
nicht straffen/ viel weniger verurtheilen/ oder verstossen können.“ Fr. X. Brean, Christliche
Warh eit, Bd. 2, Predigt 10 Will, S. 129.
566 Ebd., S. 130.
567 Ebd., Predigt 10.X, S. 132.