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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0361
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6. Rezeptionen und Wirkungen

die zentrale Botschaft des Predigers an seine Zuhörer.579 Damit löste er das Ge-
wissen gleichsam aus seinem angestammten theologischen Zusammenhang und
degradierte, oder erhob - je nach Perspektive - es zu einer Facette der Affekt-
beherrschung. Moral ließ sich hier erst sekundär wieder herantragen.
Doch gebe es, so weiß er zu berichten, auch solche, denen derartige innere
Qualen fremd sein, solche, die sagten: „ich weiß nichts von der bösen Gewissens-
Plag und Unruhe [...].“580 Solche Leute litten nicht an ihrer Bosheit, weshalb
Nieberlein fragte, ob es solches geben könne: „ein böses, und zugleich ruhiges
Gewissen?“ Die Antwort fand er bei ,Bernhard‘:
„Ja sagt der H. Vatter Bernardus: Mala et tranquilla conscientia. Aber wohl zu mer-
cken sagt der Hönig-fliessende Vatter, nichts ist üblers, nichts unglückseligeres, als
dises böse, und ruhige Gewissen: Qua sicut nihil est peius, ita nihil infelicius.“581
Jene, die ein solches Gewissen besäßen, würden über kurz oder lang in der Hölle
sein, schärfte Nieberlein seinem Publikum ein. Besser wäre es mithin, so fuhr er
unter Berufung auf Bernhards Predigt De conversione fort, der Gewissens-
wurm würde beißen, so dass man ihn spüre und auch töten könne.582
In den sich anschließenden Ausführungen zum guten Gewissen unterschied
Nieberlein, wie bereits angedeutet, nicht mehr zwischen dessen Ruhe oder Un-
ruhe: Ein gutes Gewissen war schlicht gut, weil nicht mehr schlecht. Mehr, so
scheint es, wollte er seinen Zuhörern (oder den Hörern seiner Leser) nicht zumu-
ten. Standardthemen der Gewissensliteratur wie die von Selbstprüfung und Be-
mühen um Selbsterkenntnis sucht man in der Predigt vergebens, da diese als po-
tentielle Verunsicherungsstrategien möglicherweise nicht zur Ruhe des Gewissens
beigetragen hätten.
So werden zunächst in aller Ausführlichkeit Beispiele eines guten Gewissens
angeführt, um von ihnen zur Frage zu gelangen,583 wie denn ein solches gutes
Gewissen erlangt werden könne. Seine Antwort lautet in einem Wort: Christus.
Da dieser, wie eingangs dargelegt, das gute Gewissen in seiner höchsten Form
besessen hätte, könnten auch alle, die ihm folgen, an diesem teilhaben: Christus
heiligen heiße, so formuliert Nieberlein unter Berufung auf I Pt 3.15f., ein gutes
Gewissen zu erlangen - ein gutes Gewissen, das immer auch ruhig wäre. Ruhig

579 „Liebe Christliche Jugend! wüst frisch, und lang schön blühen, so lasse den nagenden bösen
Gewissens-Wurm nit in dein Hertz.“ Ebd., Predigt IX.l, S. 57 b.
580 Ebd.
581 Ebd. Auch hier wird wieder eine genaue Referenz gegeben.
582 Ebd., S. 58 b.
583 Ebd., Predigt IX.2, S. 58 b-59 a.
 
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