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6. Rezeptionen und Wirkungen
Doch egal, woher Martin sein Wissen um dieses Gliederungsprinzip bezogen
hatte: ,Bernhard‘ wurde einmal mehr zum Kronzeugen einer Weltdeutung, in
der das moralische Befinden eines Menschen unmittelbare Rückschlüsse auf
seine Positionierung im Heilsplan erlaubte. Dass hier tatsächlich ,Bernhard‘
sprach, schien für Martin jedenfalls gewiss zu sein; Zweifel klingen nicht an.
Dies betrifft folgerichtig auch weitere Rekurse auf vermeintliche Bernardina im
Lehrbuch der katholischen Moral, so auf den ebenfalls herangezogenen Traktat
De interiori domo.668
Neben dem eben zitierten ist jedoch noch ein weiterer Rückgriff auf De quat-
tuor modis conscientiarum im Lehrbuch enthalten, der ebenfalls bereits in
Bourdaloues Predigt zu finden war.669 Unter dem Stichwort „Das weite und
das enge Gewissen“ führt Martin aus:
„Der heil. Bernardus vergleicht das weite Gewissen einem weiten tiefen Abgrunde
(conscientia quasi abyssus multa), worin allerlei kriechende Thiere verborgen; denn
wie diese sich in ungeheurer Zahl im weiten Meere entwickeln, also ist das weite
Gewissen fruchtbar an allen Arten von Sünden, welche aus ihm entstehen und in
ihm sich verfielfältigen.“670
Selbst für den Fall, dass Konrad Martin sich nicht auf Bourdaloue bezog,
muss jedoch wie bei anderen hier vorgestellten Beispielen auch671 unklar bleiben,
ob der Paderborner Bischof tatsächlich den Traktat Von den vier Arten der Ge-
wissen im Sinn hatte, oder er sich nicht auf jene parallel auch im Traktat Vom
inneren Haus enthaltenen Passagen bezog.672 In Ermangelung einer Referenz-
angabe kann sowohl ein direkter als auch ein sekundärer oder über Bourdaloue
tertiärer, gleichsam mittelbarer Einfluss von De quattuor modis conscientiarum
angenommen werden. Eine Antwort auf die Frage nach einer konkreten Refe-
renz ist hier aber ebenso wenig möglich wie nötig: Bemerkenswert scheint viel-
mehr, dass beide Texte - jener Vom inneren Haus und jener Von den vier Arten
der Gewissen - auch in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch so präsent waren,
dass sie als gleichsam selbstverständlich herangezogen werden konnten und ihr
Inhalt - weil mit Bernhards Namen verbunden - als beispielhaft galt.
668 Vgl. K. Martin, Lehrbuch der katholischen Moral, S. 125, Anm. 1.
669 Vgl. L. Bourdaloue, Sermon pour le troisieme dimanche de l’avent, S. 173. Ders., Adventspre-
digten, 4. Predigt, S., S. 154.
670 K. Martin, Lehrbuch der katholischen Moral, S. 99f.
671 Vgl. oben S. 369, Anm. 624.
672 Vgl. oben S. 157f.
6. Rezeptionen und Wirkungen
Doch egal, woher Martin sein Wissen um dieses Gliederungsprinzip bezogen
hatte: ,Bernhard‘ wurde einmal mehr zum Kronzeugen einer Weltdeutung, in
der das moralische Befinden eines Menschen unmittelbare Rückschlüsse auf
seine Positionierung im Heilsplan erlaubte. Dass hier tatsächlich ,Bernhard‘
sprach, schien für Martin jedenfalls gewiss zu sein; Zweifel klingen nicht an.
Dies betrifft folgerichtig auch weitere Rekurse auf vermeintliche Bernardina im
Lehrbuch der katholischen Moral, so auf den ebenfalls herangezogenen Traktat
De interiori domo.668
Neben dem eben zitierten ist jedoch noch ein weiterer Rückgriff auf De quat-
tuor modis conscientiarum im Lehrbuch enthalten, der ebenfalls bereits in
Bourdaloues Predigt zu finden war.669 Unter dem Stichwort „Das weite und
das enge Gewissen“ führt Martin aus:
„Der heil. Bernardus vergleicht das weite Gewissen einem weiten tiefen Abgrunde
(conscientia quasi abyssus multa), worin allerlei kriechende Thiere verborgen; denn
wie diese sich in ungeheurer Zahl im weiten Meere entwickeln, also ist das weite
Gewissen fruchtbar an allen Arten von Sünden, welche aus ihm entstehen und in
ihm sich verfielfältigen.“670
Selbst für den Fall, dass Konrad Martin sich nicht auf Bourdaloue bezog,
muss jedoch wie bei anderen hier vorgestellten Beispielen auch671 unklar bleiben,
ob der Paderborner Bischof tatsächlich den Traktat Von den vier Arten der Ge-
wissen im Sinn hatte, oder er sich nicht auf jene parallel auch im Traktat Vom
inneren Haus enthaltenen Passagen bezog.672 In Ermangelung einer Referenz-
angabe kann sowohl ein direkter als auch ein sekundärer oder über Bourdaloue
tertiärer, gleichsam mittelbarer Einfluss von De quattuor modis conscientiarum
angenommen werden. Eine Antwort auf die Frage nach einer konkreten Refe-
renz ist hier aber ebenso wenig möglich wie nötig: Bemerkenswert scheint viel-
mehr, dass beide Texte - jener Vom inneren Haus und jener Von den vier Arten
der Gewissen - auch in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch so präsent waren,
dass sie als gleichsam selbstverständlich herangezogen werden konnten und ihr
Inhalt - weil mit Bernhards Namen verbunden - als beispielhaft galt.
668 Vgl. K. Martin, Lehrbuch der katholischen Moral, S. 125, Anm. 1.
669 Vgl. L. Bourdaloue, Sermon pour le troisieme dimanche de l’avent, S. 173. Ders., Adventspre-
digten, 4. Predigt, S., S. 154.
670 K. Martin, Lehrbuch der katholischen Moral, S. 99f.
671 Vgl. oben S. 369, Anm. 624.
672 Vgl. oben S. 157f.