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Sonntag, Jörg [Editor]; Verlag Schnell & Steiner [Editor]; Ziegler, Thomas A. [Oth.]
Die Statuten der Wilhelmiten (1251-1348): Zeugnisse der Verfassung eines europäischen Ordens : Edition und Übersetzung — Klöster als Innovationslabore, Band 5: Regensburg: Schnell + Steiner, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.53725#0052
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48

Einleitung

liebig genutzt worden zu sein. Darin unterschieden sich die Wilhelmiten noch im
15. Jahrhundert nicht von anderen Orden.
Weitaus tragfähiger erscheint darum das zweite Argument: Die hier edierten
Beschlusssammlungen von 1251 bis 1348 bieten tatsächlich alle Eigenschaften,
welche die jüngste Forschung den ,Statuten1 im modernen Sinn zuweist. So sind
es ausnahmslos hypothetisch-generelle, prospektive Rechtssetzungen ohne einen
artikulierten direkten Kausalitätsbezug. Das heißt, fokussiert auf ordensintern
gleichförmiges Handeln, wie es etwa im Prolog von 1251 (und gemäß der Hand-
schrift aus Cambrai ebenso von 1271) heißt, erreichen auch die wilhelmitischen
Statuten ein zweckorientiertes, hohes Niveau an abstrakter Formalität. Tenden-
ziell konnten alle konkreten Situationen anhand vorgegebener Kriterien in diese
Formalsituationen eingebunden werden. Die Statuten zeichnet damit eine klare
Komplexitätsreduktion aus, die es wiederum erlaubte, verschiedene Sachlagen in
routinierter Weise, mithin erkenn- und wiederholbar, rechtssicher zu bewältigen.
In der Regel finden wir auch in den wilhelmitischen Bestimmungen die für Sta-
tuten gängigen Einleitungsformeln. Am häufigsten tauchen statuimus urdprece-
pimus auf, gefolgt von ordinamus und mandamus. Bisweilen werden sie zumin-
dest in ihrem Nachdruck durch das Adverb firmiter oder durch die Kombination
mindestens zweier Verben verstärkt. Im Statut B.36 heißt es gar Statuimus et or-
dinando precipimus.86
Vor allem die Statuten von 1251 und 1271 veranschaulichen, wie stark die Wil-
helmiten aus dem Ordensrecht der Zisterzienser schöpften. Dieses war längst zu
einem prägenden Modell zahlreicher Institutionalisierungsprozesse religiöser Ver-
bände geworden. Einige einschlägige Kapitel sind nahezu vollständig übernom-
men, so etwa die Bestimmungen zur Visitation oder zu den in der vita religiosa
traditionellen Bußmodi der leichten und schweren Schuld. Die Gründe für derar-
tige Übernahmen dürften wohl zusätzlich der Pragmatik der Situation geschuldet
gewesen sein, mussten doch gerade 1251 und 1271 vergleichsweise rasch möglichst
umfangreiche Verfassungscorpora geschaffen werden. Die Statuten zeichnen sich
allerdings im Lauf der Geschichte durch immer stärkere Präzisierungen aus. Sie
führen Abstufungen ein und artikulieren zugleich Ausnahmen in für ,Statuten‘ ty-
pischer Weise.87 Übernahmen aus den Gesetzeswerken anderer Orden begegnen
nach 1271 kaum.88
86 Zu diesem Statut von 1271 siehe unten, S. 248.
87 Zum zisterziensischen Erfolgsmodell siehe bereits oben, S. 19. Zu den Übernahmen im Detail
siehe die Statuten A.81-82 und A.84 sowie B.3 und B.8-9.
88 Dies mag auch damit begründet werden können, dass ein Großteil der Statuten von 1271 in
den Folgejahren stets intakt blieb und neuere, kürzere Bestimmungen individueller Natur als
Arrondierung beigegeben wurden. Hierfür bedurfte es kaum mehr der namhaften Vorlagen.
 
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