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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0433
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432 I Eva Schlotheuber

Auf der anderen Seite können wir als Folge der Trennung der laikalen und
geistlichen Sphäre in der mittelalterlichen Gesellschaft beobachten, dass die mo-
nastischen Gemeinschaften, bemüht waren und bemüht sein mussten, ihren be-
sonderen Lebensraum vor dem Zugriff der Welt zu schützen und zu einem Er-
folgsmodell zu machen. War es vielleicht maßgeblich dieses Bemühen, das unter
anderem auch ganz konkret technische und wirtschaftliche Innovationen för-
derte?56 Als ideelle Voraussetzung für das Wirken der Nonnen und Mönche in
die Welt über neue Gesellschaftsentwürfe, religiöse oder karitative Angebote,
Ideen und geistige Impulse aller Art könnte eben jene Selbst- und Fremdzu-
schreibung der monastisch Lebenden gedient haben, die ihnen als ,Experten
bzw. Expertinnen für den immateriellen Raum' und das Erkennen der göttli-
chen Ordnung eine nicht unerhebliche Verantwortung für die Laiengesellschaft
übertrug. Diese Verantwortung bewog sie immer wieder zum Eingreifen. Dafür
gibt es unzählige eindrucksvolle Beispiele, genannt seien an dieser Stelle nur die
Dominikanerbrüder Anfang des 13. Jahrhunderts, die als geradezu revolutionä-
ren Ansatz versuchten, allen Frauen - unabhängig von Stand und Bildung, Wit-
wen, einst verheirateten Frauen, Alten und Jungen - ein monastisches Leben in
Gemeinschaft zu ermöglichen.57
Alle geschilderten Beobachtungen können hier nur in ihren Grundzügen und
notwendigerweise ebenso unterkomplex vorgestellt werden. Abschließend
möchte ich nur noch auf ein Beispiel eingehen, in dem der privilegierte Wissens-
zugang der Religiösen und die damit verbundene Verantwortung für die Ge-
schicke der Laiengesellschaft ungewöhnlich deutlich artikuliert werden, näm-
lich auf die Königsaaler Chronik (Cronica aulae regiae) Peters von Zittau
ff 1339).58 Im Proömium klärt der gelehrte Abt seine Leser über die Motivation
und Intention seiner großen Geschichtserzählung auf. Religiose, so Peter von
Zittau, könnten ihre Pilgerschaft Gottes, die peregrinatio, auf sehr verschiedene
Weise absolvieren, um die göttliche Ordnung zu erfassen: „Einige sind in ihrem

Hildegards von Bingen Menschenbild und Kirchenverständnis heute, hg. von Rainer
BERNDT/Maura Zatonyi (Erudiri Sapientia 12), Münster 2015, S. 323-365, hier S. 323-324.
56 Vgl. zu den technischen Innovationen die Beiträge von Oliver Auge und Philipp Stenzig in
diesem Band.
57 Hamburger, Liturgical Life (wie Anm. 22), S. 55-67.
58 Petra Zitavskeho, Kronika Zbraslavskä, hg. von Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum
4), Prag 1884, S. 1-337; Die Königsaaler Chronik, aus dem Lateinischen übers, von Josef Buj-
NOCH/Stefan Albrecht, hg. von Stefan Albrecht (Forschungen zu Geschichte und Kultur
der Böhmischen Länder 2), Frankfurt am Main 2014; Chronicon Aulae Regiae. Die Königs-
aaler Chronik. Eine Bestandsaufnahme, hg. von Stefan Albrecht, Frankfurt a. M. 2013; vgl.
zuletzt Bela Marani-Moravova, Peter von Zittau. Abt, Diplomat und Chronist der Lu-
xemburger (Vorträge und Forschungen. Sonderbände 60), Ostfildern 2018.
 
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