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Historische und historisch-literarische Keilschrifttexte aus Assur

Wichtig ist, daß hier zunächst zwar nur der Gott Adad angesprochen wird, am Schluß jedoch sowohl von ihm als auch von
Anu die Rede ist. Im Unterschied zu den Türangelsteininschriften aus Raum A erwähnt VAT 9564(+) den Gott Anu dagegen
offenbar nicht. Dies könnte darauf hindeuten, daß die in unserem Text behandelten Türen, sofern wirklich von solchen die
Rede war, an einem anderen Ort des Doppeltempels zu lokalisieren sind, nämlich im eigentlichen Sanktuar des Adad, das
vermutlich von dem westlichen der beiden Schreine des Heiligtums repräsentiert wird (siehe WVDOG 10, 79). Es besteht
aus einem Breitraum im Südosten (J) und einem sich daran anschließenden Langraum (K), der eigentlichen Cella. Zwar
fanden sich in diesem Bereich keine Türangelsteine (was mit Blick auf den Durchgang, der die beiden Räume miteinander
verbindet, seltsam anmutet, weil das Mauerwerk hier relativ hoch erhalten ist, siehe WVDOG 10, 58). Es wurden jedoch
Reste von Türbeschlägen aus getriebenem Kupferblech gefunden, deren Gestaltung stark an die bronzenen Bildreliefs der von
Salmanassar III. stammenden Tore von Balawat erinnert. Sie könnten von den Beschlägen der Türen zu Raum J oder Raum
K herrühren (WVDOG 10,76f.).

Es scheint gut möglich, daß die Anbringung dieser Türen den Anlaß für die Ausführung der vorliegenden Inschrift gebildet
hat. Mit dem Verweis auf den „Sonnenuntergang" in Rs. 1 ’ könnte, auch wenn die Präposition klma vor slt Samsi in diesem
Zusammenhang problematisch ist, die Ausrichtung der Tür(en) beschrieben sein, die, von der Cella aus gesehen, im Verständnis
des Schreibers in der Tat in Richtung auf den „Sonnenuntergang" hin orientiert gewesen sein dürften. Zwar wiesen sie nicht
exakt nach Osten, sondern nach Südosten, aber genau dieselbe Ausrichtung zeigen einige Tore in Sanheribs neuem Assur-
Tempel, von denen es gleichfalls inschriftlich heißt, sie seien ana napäh Samsi bzw. ana sTt Samsi orientiert gewesen (D.
D. Luckenbill, The Annals of Sennacherib, 145, Z. 12, 23; vgl. Verf., Einleitung in die Sanherib-Inschriften, 170-173).
Auch von Sanherib sind im übrigen Türangelstein- und Bronzebandinschriften bekannt, die von den Türkonstruktionen von
Tempeltoren (in diesem Fall im Bereich des Assur-Heiligtums) stammen, siehe Verf.,Einleitung in die Sanherib-Inschriften,
165f„ 169f.

In Rs. 2’ ist auch eine Ergänzung EN H[E.GAL „Herr der Fülle" nicht völlig ausgeschlossen.

2’-5’: Ergänzt nach RIMA 3,102.12,Z. 34-36, wo es (mit kleineren Abweichungen vom vorliegenden Text, dessen Rekonstmktion
folglich nicht ganz sicher ist) heißt: ana balät/bullut napsätTja aräk ümeja suniiid sanäteja nasär kusse SID-ti-ia zainja
ana qame astüteja ana hulluqi malkT nakinja ana sepeja suknuse. Der Passus könnte von einer Formulierung der großen,
Salmanassar III. im Zuge seiner Bauarbeiten gewiß bekannt gewordenen Prismeninschrift Tiglatpilesers I. vom Anu-Adad-
Tempel inspiriert worden sein, in der sich die Aussage findet (RIMA 2, 87.1, viii 31-33): naphar mätäti nakinja sade
sepsüte u malki zä’erTja ana sepeja luseknisü „Mögen (Anu und Adad) alle mir feindlich gesinnten Länder, die aufsässigen
Gebirgsgebiete und die Könige, die mich hassen, meinen Füßen unterwerfen."

Am Ende von Z. 5’ dürfte das Verb zu ergänzen sein, das als Prädikat des Satzes über die Anbringung der Türen fungiert -
sofern denn wirklich von solchen gehandelt wird; man vergleiche die Kurbail-Inschrift, in der die oben zitierten Wünsche
eingerahmt werden von der Aussage madattasu amhursu (RIMA 3,102.12, Z. 34) und abschließendem ana Adcid bellja aqTs
(ebd.,Z. 36).

6’ -13 ’: Der durchaus eigennützige Zweck der Arbeiten am Tempel - Gesundheit, Wohlergehen und Erfolg für den König -, der bereits
in Rs. 2’-5’ in Form von mit ana eingeleiteten Infinitiven spezifiziert worden war, wird in diesem Passus, in phraseologisch
leicht abgewandelter Form, noch einmal formuliert, diesmal vermittels von Prekativformen, deren Subjekt der Gott Adad ist.
Den Wünschen des Königs soll dadurch, daß sie zweifach vorgebracht werden, offenbar besonderer Nachdmck verliehen
werden. Auch die Kurbail-Inschrift ist ähnlich strukturiert; dort lautet der (grammatisch etwas fragwürdige) Schluß (RIMA 3,
102.12, Z. 38-40): enüma Adad bellsalmu suätu ina amärTsu kenis lippardä aräk Umeja liqbi suniiid sanäteja littasqar nasäh
siliti sa zumrlja lltami Umesam. Zu vergleichen ist ferner der Assurnasirpal II.-Text RIMA 2,101.31,Z. 17-19: enümaNinurta
bell ina parakklsu elli ina atmanlsu sa ruäme ina hüd libblsu ana därate ussabu kenis lippardä aräk Umeja liqbi sunfud.
sanäteja littasqar sangütl liräm ema qablu u tähäzJasar usammaru sumrät libblja lusaksidanni. Die oben vorgenommenen, z.
T. tentativen Ergänzungen orientieren sich an diesen beiden Textabschnitten. Auch der Passus Vs. 8-12 der im vorliegenden
Band unter Nr. 22 veröffentlichten Weihinschrift Tukulti-Ninurtas II. weist mit dem hier behandelten Abschnitt stmkturelle
und phraseologische Ähnlichkeiten auf.

6’: Vermutlich ist zu ergänzen ina s[ub-ti-sü ussabu / errabu / irammü.

8’: l[i-mu-ur-ma ist durch keinerlei Parallelen gestützt und entsprechend unsicher.

12’: Oder HE.NU[N. Andere Lesungen kommen kaum in Frage, auch wenn die Verbindung von hegallu bzw. nuhsu mit sapähu
ein wenig seltsam anmutet.

13’: Die Anmfung eines späteren Fürsten, der die vorliegende Inschrift gewiß lesen und das darin behandelte Bauelement
rekonstmieren sollte, fehlt in dem sonst ähnlichen Text RIMA 3,102.12.

2 ”: Unser Text wurde im Kisllmu (IX) eines unbekannten Jahres abgefaßt. Mehrere in RIMA 3,102.39 edierte Tonknaufinschriften
Salmanassars III., die Bauarbeiten am Anu-Adad-Tempel behandeln, datieren in den Monat Muhur-iläni des 20.
Regiemngsjahres des Königs, d. h. des Jahres 839 v. Chr. Es erscheint denkbar, daß VAT 9564(+) in zeitlicher Nähe zu
diesem Datum entstanden ist, doch ist diese Annahme nicht zwingend, da sich die Rekonstruktion des Heiligtums über einen
längeren Zeitraum erstreckt haben könnte.
 
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