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Historische und historisch-literarische Keilschrifttexte aus Assur
(dem Assur-Tempel) fern." Borgers Vermutung, daß zeru ahü als Glosse zu A.RI.A(.)TA(.)BAR aufzufassen ist, trifft ohne
Frage zu. Da A.RI.A(.)TA(.)BAR sonst nirgends bezeugt zu sein scheint, liegt es nahe zu vermuten, daß die Asarhaddon-
Inschrift hier direkt auf den vorliegenden Text Bezug nimmt, der demnach in spätassyrischen Hofkieisen gut bekannt gewesen
sein muß.
Leider muß offen bleiben, wen der Gott Enlil als „fremden Samen" bezeichnet. Der bereits oben erwähnte Puzur-Sin nennt
in seiner antiamoritisch ausgerichteten Steintafelinschrift RIMA 1, 40.1001 Samsl-Adad I. sihi\t\(‘TT) ahitim lä sir Assur
„eine fremde Plage, nicht vom Fleische (der Stadt) Assur" (Z. 12f„ 24-25) und stellt auch die Nachkommen des Königs als
der Herrschaft unwürdig dar; außerdem behauptet er, Samsl-Adad habe isrät Assur unakkiru-ma „die Heiligtümer der Stadt
Assur verändert/zerstört" (Z. 26f.). All dies könnte als Indiz dafür gewertet werden, daß der „fremde Same" in unserem Text
niemand anders als Samsl-Adad ist. Die enge Verbindung, die dem Text zufolge zwischen Enlil und Isme-Dagän besteht,
spricht jedoch eher gegen eine solche Annahme. Vielleicht waren die unter Isme-Dagän in Assyrien eingefallenen Turukkäer
der „fremde Same", doch bleibt auch diese Vermutung bloße Spekulation.
Die Form batlu am Schluß der Zeile in Ms. B wird hier als aktivischer Stativ mit Subjunktivendung gedeutet. In Ms. A könnte
rü'-[sab-ti-lu] zu lesen sein, ohne daß sich hierüber Sicherheit gewinnen ließe.
14’: es-mah ist als Bezeichnung des Enlil-Tempels zu Nippur z. B. in dem sumerischen Ninurta-Preisgesang Lipit-Istar D (Z. 10)
bezeugt (siehe http://etcsl.orinst.ox.ac.uk, ETCSL c.2.5.5.4).
15’: e-pal-sü in Ms. B ist ein Assyriasmus.
17’: Bei nusaklil scheint es sich um einen Kohortativ ohne i zu handeln.
18’ und Rs. 4’: Allgemein zu Raben- und Krähenvögeln in Mesopotamien siehe nun M. Weszeli, RIA 11,210-13. Was das Auftreten
des „weißen Raben", offenbar ein für die Wiederherstellung des Tempelkultes wichtiges Omen, in unserem Text genau zu
bedeuten hat, bleibt rätselhaft. Auffällig ist jedoch, daß in einer ganzen Reihe von Keilschrifttexten Rabenvögel in enger
Verbindung mit Enlil genannt werden. In dem sumerischen Kurzmythos „Enlil und Namzitarra" z. B. (M. Civil, AfO 25
(1974/77), 65-71) hat der Gott die Gestalt eines uga mu® en, d. h. eines Raben angenommen. Der Priester Namzitarra erkennt
das wahre Wesen des Vogels, worauf seinen Nachkommen zur Belohnung ewig dauernder Pfründendienst im Enlil-Tempel
versprochen wird. In der altbabylonischen Fassung der Enlil gewidmeten Balag-Komposition Aabba Huluhha heißt es in Z.
a+37f.: [sä-b]a uga mu® en-e sä-ab su13-ud mu-un-ak-e / uga mu® en-e [e-ne-em] dMu-ul-lIl-la-se sä su13-
ud mu-un-ak-e (M. E. Cohen, CLAM, 377f„ 382). Cohen übersetzt diese schwierige Stelle auf p. 399 fragend: „Inside it,
the crows make the inside empty. At the word of Enlil, the crows make the inside empty." R. Kutscher schlägt dagegen in
YNER 6,97 als Übersetzung vor: „In (Nippur’s) midst, the raven makes the heart unfathomable, / At the command of Enlil,
the raven makes the heart fathomless," während K. Volk, Inanna und Sukaletudda, 148, Anm. 633 die zweite Zeile übersetzt:
„Auf Anweisung Mullils macht der Rabe die Gemüter trostlos." Nicht ein äribu-Kabe, aber der sehr ähnliche hahhüru-Vogel
wird in Z. 15 des sog. „Birdcall-Textes" STT 341 (und Dupl.) mit Enlil assoziiert: ha-(dj-hu-ru 111 u ^ en MUSEN dBAD [x] ka
DUMU.MES NIBRU ki INIM.GAR SIG5 KIMIN(= GÜ.GIJ-si) „Der hahhüru-\ogel ist der Vogel Enlils; er ruft: ,... der
Bürger Nippurs ein gutes Omen’ " (W. G. Lambert, AnSt20 (1969), 114f.). Und schließlich ist auf das Incipit einer Namburbi-
Beschwömng zu verweisen, das lautet: EN uga mu® en mud-la d+En-lIl-la-ke4 „Rabe, ... des Enlil“ (S. M. Maul,BaFo
18,198, Z. 14, der weitere Wortlaut ist unbekannt; für Raben als Omenanzeiger in Namburbis siehe ibid., p. 200, Z. 14” und
p. 268f.).
Raben sind in einigen Fällen auch mit anderen Göttern, etwa mit Enki, assoziiert (siehe K. Volk, Inanna und Sukaletudda, 5f.,
147f.). In Z. 33 der achten Tafel der Serie Udug-hul heißt es ferner, daß der Exorzist während eines Rituals zur Bekämpfung
des bösen rt/n-Dämons „einen Raben, den Herold der Götter" in der rechten Hand halte: uga mu^ en musen nlmgir dingir-
re-e-ne-ke4 a-zi-da-mu bl-in-tab // a-ri-ba is-su-ra na-gi-ir DINGIR.MES ina im-ni-ia at-mu-uh (siehe M. J. Geller,
Evil Demons, 144,226). Interessant ist, daß dem Raben an dieser Stelle die Funktion eines Götterboten zugeschrieben wird.
In unserem Text ist auffälligerweise nicht von irgendeinem, sondern von einem „weißen" Raben die Rede. Im Deutschen ist
der Ausdruck „weißer Rabe" eine sprichwörtliche Umschreibung seltener Ausnahmen, und man möchte zunächst vermuten,
daß auch der Rabe in VAT 14418 eine Art Wunderwesen darstellt, dessen naturwidriges Aussehen auf das Wirken höherer
Mächte hindeutet. Dies dürfte jedoch nur eingeschränkt zutreffen. Belege für den äribu pesü finden sich vereinzelt auch in
anderen Texten, z. B. in HAR-ra und HAR-gud (siehe CAD A/2, 265a), medizinischen Traktaten (CAD A/2 266b) sowie
nach der Erwähnung eines „schwarzen Raben" in einem Emesal-Lied zu Ehren Nergals (P. Haupt, ASKT, 124, Nr. 20, Z.
18-23). Wenn in HAR-gud behauptet wird, bei dem „weißen Raben" handle es sich um eine „Ente" (paspasü), muß man dies
zwar nicht unbedingt glauben, doch scheint der weiße Rabe im Alten Orient tatsächlich ein in der Natur beobachteter Vogel,
vielleicht eine „Mesopotamische Krähe" (Weszeli, RIA 11,211) und kein mythisches Tier gewesen zu sein wie etwa der im
griechisch-römischen Coronis-Mythos anzutreffende weiße Rabe, der von Apollo in einen schwarzen Vogel verwandelt wird,
nachdem er dem Gott von der Untreue seiner Geliebten berichtet hat (Ovid, Metamorphosen II 531-632, ein ähnliches Motiv
findet sich in rabbinischen Bearbeitungen der Noah-Sage). Interessant ist, daß auch der lateinische Terminus corvus albus
einen wirklichen Vogel bezeichnet, den Schildraben (englisch „pied crow"), bei dem es sich um eine in Afrika beheimatete
Krähe mit weißer Bmst handelt.
In Texten, die sich mit dem Assur-Tempel in Assur beschäftigen, scheinen Raben bislang nicht bezeugt zu sein. Erwähnung
verdient jedoch, daß in Vs. 7’ der Schreinliste BTT, no. 21 (BM 134502) das zum Esarra-Komplex in Assur gehörige, Kar-ab-
ba genannte Sanktuar des Asalluhi mit dem erklärenden Zusatz asar erü iq[nunu ...] „wo der Adler genistet hat [...]" bedacht
wird; siehe A. George, BTT, 186f„ 467.
Rs. 1 ’: Am Anfang: [a-n\al Das Zeichen vor E könnte jedoch auch ERIM sein.
Historische und historisch-literarische Keilschrifttexte aus Assur
(dem Assur-Tempel) fern." Borgers Vermutung, daß zeru ahü als Glosse zu A.RI.A(.)TA(.)BAR aufzufassen ist, trifft ohne
Frage zu. Da A.RI.A(.)TA(.)BAR sonst nirgends bezeugt zu sein scheint, liegt es nahe zu vermuten, daß die Asarhaddon-
Inschrift hier direkt auf den vorliegenden Text Bezug nimmt, der demnach in spätassyrischen Hofkieisen gut bekannt gewesen
sein muß.
Leider muß offen bleiben, wen der Gott Enlil als „fremden Samen" bezeichnet. Der bereits oben erwähnte Puzur-Sin nennt
in seiner antiamoritisch ausgerichteten Steintafelinschrift RIMA 1, 40.1001 Samsl-Adad I. sihi\t\(‘TT) ahitim lä sir Assur
„eine fremde Plage, nicht vom Fleische (der Stadt) Assur" (Z. 12f„ 24-25) und stellt auch die Nachkommen des Königs als
der Herrschaft unwürdig dar; außerdem behauptet er, Samsl-Adad habe isrät Assur unakkiru-ma „die Heiligtümer der Stadt
Assur verändert/zerstört" (Z. 26f.). All dies könnte als Indiz dafür gewertet werden, daß der „fremde Same" in unserem Text
niemand anders als Samsl-Adad ist. Die enge Verbindung, die dem Text zufolge zwischen Enlil und Isme-Dagän besteht,
spricht jedoch eher gegen eine solche Annahme. Vielleicht waren die unter Isme-Dagän in Assyrien eingefallenen Turukkäer
der „fremde Same", doch bleibt auch diese Vermutung bloße Spekulation.
Die Form batlu am Schluß der Zeile in Ms. B wird hier als aktivischer Stativ mit Subjunktivendung gedeutet. In Ms. A könnte
rü'-[sab-ti-lu] zu lesen sein, ohne daß sich hierüber Sicherheit gewinnen ließe.
14’: es-mah ist als Bezeichnung des Enlil-Tempels zu Nippur z. B. in dem sumerischen Ninurta-Preisgesang Lipit-Istar D (Z. 10)
bezeugt (siehe http://etcsl.orinst.ox.ac.uk, ETCSL c.2.5.5.4).
15’: e-pal-sü in Ms. B ist ein Assyriasmus.
17’: Bei nusaklil scheint es sich um einen Kohortativ ohne i zu handeln.
18’ und Rs. 4’: Allgemein zu Raben- und Krähenvögeln in Mesopotamien siehe nun M. Weszeli, RIA 11,210-13. Was das Auftreten
des „weißen Raben", offenbar ein für die Wiederherstellung des Tempelkultes wichtiges Omen, in unserem Text genau zu
bedeuten hat, bleibt rätselhaft. Auffällig ist jedoch, daß in einer ganzen Reihe von Keilschrifttexten Rabenvögel in enger
Verbindung mit Enlil genannt werden. In dem sumerischen Kurzmythos „Enlil und Namzitarra" z. B. (M. Civil, AfO 25
(1974/77), 65-71) hat der Gott die Gestalt eines uga mu® en, d. h. eines Raben angenommen. Der Priester Namzitarra erkennt
das wahre Wesen des Vogels, worauf seinen Nachkommen zur Belohnung ewig dauernder Pfründendienst im Enlil-Tempel
versprochen wird. In der altbabylonischen Fassung der Enlil gewidmeten Balag-Komposition Aabba Huluhha heißt es in Z.
a+37f.: [sä-b]a uga mu® en-e sä-ab su13-ud mu-un-ak-e / uga mu® en-e [e-ne-em] dMu-ul-lIl-la-se sä su13-
ud mu-un-ak-e (M. E. Cohen, CLAM, 377f„ 382). Cohen übersetzt diese schwierige Stelle auf p. 399 fragend: „Inside it,
the crows make the inside empty. At the word of Enlil, the crows make the inside empty." R. Kutscher schlägt dagegen in
YNER 6,97 als Übersetzung vor: „In (Nippur’s) midst, the raven makes the heart unfathomable, / At the command of Enlil,
the raven makes the heart fathomless," während K. Volk, Inanna und Sukaletudda, 148, Anm. 633 die zweite Zeile übersetzt:
„Auf Anweisung Mullils macht der Rabe die Gemüter trostlos." Nicht ein äribu-Kabe, aber der sehr ähnliche hahhüru-Vogel
wird in Z. 15 des sog. „Birdcall-Textes" STT 341 (und Dupl.) mit Enlil assoziiert: ha-(dj-hu-ru 111 u ^ en MUSEN dBAD [x] ka
DUMU.MES NIBRU ki INIM.GAR SIG5 KIMIN(= GÜ.GIJ-si) „Der hahhüru-\ogel ist der Vogel Enlils; er ruft: ,... der
Bürger Nippurs ein gutes Omen’ " (W. G. Lambert, AnSt20 (1969), 114f.). Und schließlich ist auf das Incipit einer Namburbi-
Beschwömng zu verweisen, das lautet: EN uga mu® en mud-la d+En-lIl-la-ke4 „Rabe, ... des Enlil“ (S. M. Maul,BaFo
18,198, Z. 14, der weitere Wortlaut ist unbekannt; für Raben als Omenanzeiger in Namburbis siehe ibid., p. 200, Z. 14” und
p. 268f.).
Raben sind in einigen Fällen auch mit anderen Göttern, etwa mit Enki, assoziiert (siehe K. Volk, Inanna und Sukaletudda, 5f.,
147f.). In Z. 33 der achten Tafel der Serie Udug-hul heißt es ferner, daß der Exorzist während eines Rituals zur Bekämpfung
des bösen rt/n-Dämons „einen Raben, den Herold der Götter" in der rechten Hand halte: uga mu^ en musen nlmgir dingir-
re-e-ne-ke4 a-zi-da-mu bl-in-tab // a-ri-ba is-su-ra na-gi-ir DINGIR.MES ina im-ni-ia at-mu-uh (siehe M. J. Geller,
Evil Demons, 144,226). Interessant ist, daß dem Raben an dieser Stelle die Funktion eines Götterboten zugeschrieben wird.
In unserem Text ist auffälligerweise nicht von irgendeinem, sondern von einem „weißen" Raben die Rede. Im Deutschen ist
der Ausdruck „weißer Rabe" eine sprichwörtliche Umschreibung seltener Ausnahmen, und man möchte zunächst vermuten,
daß auch der Rabe in VAT 14418 eine Art Wunderwesen darstellt, dessen naturwidriges Aussehen auf das Wirken höherer
Mächte hindeutet. Dies dürfte jedoch nur eingeschränkt zutreffen. Belege für den äribu pesü finden sich vereinzelt auch in
anderen Texten, z. B. in HAR-ra und HAR-gud (siehe CAD A/2, 265a), medizinischen Traktaten (CAD A/2 266b) sowie
nach der Erwähnung eines „schwarzen Raben" in einem Emesal-Lied zu Ehren Nergals (P. Haupt, ASKT, 124, Nr. 20, Z.
18-23). Wenn in HAR-gud behauptet wird, bei dem „weißen Raben" handle es sich um eine „Ente" (paspasü), muß man dies
zwar nicht unbedingt glauben, doch scheint der weiße Rabe im Alten Orient tatsächlich ein in der Natur beobachteter Vogel,
vielleicht eine „Mesopotamische Krähe" (Weszeli, RIA 11,211) und kein mythisches Tier gewesen zu sein wie etwa der im
griechisch-römischen Coronis-Mythos anzutreffende weiße Rabe, der von Apollo in einen schwarzen Vogel verwandelt wird,
nachdem er dem Gott von der Untreue seiner Geliebten berichtet hat (Ovid, Metamorphosen II 531-632, ein ähnliches Motiv
findet sich in rabbinischen Bearbeitungen der Noah-Sage). Interessant ist, daß auch der lateinische Terminus corvus albus
einen wirklichen Vogel bezeichnet, den Schildraben (englisch „pied crow"), bei dem es sich um eine in Afrika beheimatete
Krähe mit weißer Bmst handelt.
In Texten, die sich mit dem Assur-Tempel in Assur beschäftigen, scheinen Raben bislang nicht bezeugt zu sein. Erwähnung
verdient jedoch, daß in Vs. 7’ der Schreinliste BTT, no. 21 (BM 134502) das zum Esarra-Komplex in Assur gehörige, Kar-ab-
ba genannte Sanktuar des Asalluhi mit dem erklärenden Zusatz asar erü iq[nunu ...] „wo der Adler genistet hat [...]" bedacht
wird; siehe A. George, BTT, 186f„ 467.
Rs. 1 ’: Am Anfang: [a-n\al Das Zeichen vor E könnte jedoch auch ERIM sein.