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Nr. 79

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Rs l[.] ... 2[.] ... 3600 Doppelstunden 3[.]. 4[.] ... mit deinen (fem.) Beinen (oder: bei deinen Beschwerden) 5[.] ...

über/auf mir 6[.] ... habe ich gehört (oder: befand ich mich in Übereinstimmung) 7[.] ... dich, o Herrin, deine Kultordnungen will

ich bewahren 8[.] dich.

Rest, soweit ersichtlich, unbeschrieben

Bemerkungen:

Obwohl Reste aller 25 Zeilen des Textes erhalten sind, bleibt sein Inhalt größtenteils rätselhaft. Dem Schlußpassus zufolge handelt es
sich bei VAT 10752 um ein Gebet an eine weibliche Gottheit, vielleicht an die in Vs. 15 erwähnte Baba, doch die übrigen Textreste
lassen wenig Übereinstimmung mit der gewöhnlichen Formensprache akkadischer Gebete erkennen.

Der Verweis auf Adad-närärl III. in Vs. 6 erlaubt es, den Text mit großer Wahrscheinlichkeit in die Regiemngszeit dieses Königs, d. h.
die Jahre 810 bis 783 v. Chr. zu datieren. Unklar bleibt, ob der Text den Herrscher als Beter oder aber als Gegenstand des Gebetes einer
anderen Person präsentiert. Interesse verdient in diesem Zusammenhang eine im Namen Pän-Assur-lämurs, des Statthalters von Assur
(siehe PNA 3/1, 984, s. v. Pän-Assür-lämur 2), abgefaßte Weihinschrift, die auf einem Votivsiegel unbekannter Herkunft angebracht
ist. In der zuletzt von A. K. Grayson, RIMA 3,104.2016 edierten Inschrift bittet der Beter die Heilgöttin Gula ( dME.ME) - die mit der
im vorliegenden Text genannten Baba zu identifizieren ist und in Assur einen Tempel besaß -, Adad-närärl Leben und Gesundheit zu
schenken:

fina dME.ME NIN-sü 2ana TI r[l 10-ERIM.TÄH MAN KUR AS k[i] 3 'lGI-rt.v-.vur-IGI klGAR-KUR 4Bal-til ki ana Tl- rsü' rBA n
Pän-Assur-lämur, Statthalter von Baltil (= Assur), hat der Gula, seiner Herrin, für das Leben Adad-närärls (III.), des Königs von
Assyrien, (und) für sein (eigenes) Leben (dieses Siegel) geschenkt.

Es scheint also, als sei Gula/Baba für Adad-närärl III. (etwa weil er an einer hartnäckigen Krankheit litt?) von einiger Bedeutung
gewesen, auch wenn er die Göttin in seinem eigenen Inschriftenwerk, soweit bislang ersichtlich, nirgends erwähnt. Bekannt sind
jedoch mehrere im Namen Adad-närärls abgefaßte Votivinschriften, die an die Göttin Belet-parsl gerichtet sind (Grayson, RIMA 3,
104.10-11). Sie sind auf Schmucksteinen aus Assur angebracht.

Unklar bleibt die Identität der Göttin oder Frau, auf die in Vs. 2-4 des hier vorgelegten Textes mit Suffixpronomina der 3. Ps. Sg. fem.
(-sa, -si) Bezug genommen wird. Vielleicht ist auch hier von Baba die Rede. Da aber auf die Göttin in Rs. 4, 7 und 8 mit -kh referiert
wird, ist nicht ausgeschlossen, daß es am Anfang des Textes um eine andere weibliche Gestalt geht. Man könnte erwägen, daß hier
auf Adad-närärls Mutter Semiramis, die Gattin Samsl-Adads V., verwiesen wird, doch muß diese Vermutung vollkommen spekulativ
bleiben.

Das Verständnis des Textes wird nicht nur durch den Umstand erschwert, daß sämtliche Zeilenanfänge fehlen, sondern auch durch
seine offenbar sehr poetisch gefärbte Sprache. Sowohl grammatisch, etwa durch Verwendung von Lokativformen mit apokopierten
Suffixpronomina (Vs. 7: kabattuk), wie auch lexikalisch (man beachte z. B. das sonst selten gebrauchte sumerische Lehnwort mü in Rs.
7) hebt sich VAT 10752 deutlich von herkömmlichen Prosatexten ab. Auch daß in Vs. 2 möglicherweise ein literarisches Zitat vorliegt
(s. u. Bemerkungen), zeugt von dem außeralltäglichen Charakter des Textes.

Vs. 2: Der Ausdruck Tm ana ahäti sakänu findet sich außer an der vorliegenden Stelle m. W. sonst nur noch in der akkadischen
Übersetzung des Lugal-e-Epos. Dort heißt es in Tf. 11, Z. 500 (J. van Dijk,LUGAL UD ME-LÄM-bi NIR-GÄL, 116) über den
Hämatit, er sei sul nl-tuku gis-nfu^ ig]i ba[r-r]a-se i-gal-la / et-lu n[a-d]-du sä ni-is nu-ür i-ni-sü ana a-ha-a-ti
sa[k-n]u „der gepriesene Held, dessen leuchtende ,Augen', wenn erhoben, nach außen gerichtet sind" (siehe CAD A/1,189b
sowie J. Fincke, Augenleiden nach keilschriftlichen Quellen, 37; anders S. Seminara, La versione accadica del Lugal-e, 175:
„giovane attento, il cui sguardo e rivolto al(lett.: sta posto sul)le calunnie"). Eventuell ist auch im vorliegenden Text (der auf
die Augen einer weiblichen Gestalt zu verweisen scheint) vor IGI d.MES(-).vd die Zeichenfolge nu-[ü\r anzusetzen. Es scheint
gut möglich, daß der Autor unseres Textes in dieser Zeile bewußt auf Lugal-e Bezug genommen hat.

3: DenZeichenspuren nach könnte man auch ] xri i ? i ?kid ? li mi sa transliterieren, was jedoch keinerlei Sinn ergibt. Die Deutung

der Zeile wird stark durch eine Reihe von nicht sehr akkurat ausgeführten Rasuren erschwert. Das Verbum ugammerüsi
erinnert an gummurti in Vs. 8; der genaue Sinn bleibt hier wie dort unklar. Die Schreibung des D-Präformativs lu-l mit
dem Zeichen ii\ findet sich auch in der folgenden Zeile. Sie ist ebenso ungewöhnlich wie der Gebrauch des Zeichens tü zur
Schreibung der ersten Silbe von tuquntu in Vs. 11; siehe W. von Soden - W. Röllig, Akk. SylL, Nr. 221 (UD) und 242 (U).

4: hi is könnte man als DÜG-/.V = täibis „frohen Muts" (o. ä.) deuten, doch bleibt dies ganz ungewiß. Auch eine Lesung iq-ti'-is

„er hat geschenkt" (Perf. mit assyrischer Teilassimilation des Infixes) scheint nicht sehr vielversprechend. Das Verbum am
Schluß ist wohl eher von akälu S als von sukkulu „abwischen" abzuleiten.

5: Die Deutung der Zeichengruppe am Schluß bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Die oben vorgeschlagene Lesung e- mnin-

ma impliziert, daß eine von enenu abgeleitete Verbalform vorliegt. Vier entsprechend lautende, lexikalisch jedoch zu
differenzierende Verben sind im Akkadischen bezeugt. Grammatische Gründe sprechen dafür, hier am ehesten enenu II
„strafen" anzusetzen, da nur für dieses Verbum ein Gmndstamm des Typs ili bezeugt ist. Auch ist in Rechnung zu stellen, daß
in Vs. 7 und 14 evtl. das verwandte Substantiv e/innintu gebraucht wird. Es könnte jedoch auch das Verbum enenu IV „beten"
vorliegen, denn in Vs. 16 findet sich das hiervon abgeleitete Wort unmnu „Gebef‘. Alternativ ließe sich außerdem erwägen,
 
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