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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0026
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Einleitung der Herausgeberin

XXV

zu den seelischen Zusammenhängen. Nach Weber sind Idealtypen Grenzgebilde, die
gewonnen werden »durch einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und
durch Zusammenschluß einer Fülle von [...] vorhandenen Einzelerscheinungen, die
sich jenen einseitig herausgehobenen Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich ein-
heitlichen Gedankenbilde.«112 Webers Idealtypus ist eine »Utopie«, ein Grenzbegriff,
an welchem »die Wirklichkeit zur Verdeutlichung bestimmter bedeutsamer Bestand-
teile ihres empirischen Gehaltes gemessen, mit dem sie verglichen wird.«113 Getreu sei-
nem Vorbild sind für Jaspers die verständlichen Zusammenhänge des Seelenlebens
stets idealtypische, an denen die individuellen Zusammenhänge deutend gemessen
werden.114 Ferner sind für ihn auch die psychiatrischen Krankheitseinheiten Ideal-
typen, wodurch er sich ganz klar von Kraepelin abgrenzt, welcher die Krankheiten für
natürliche Einheiten hielt.115
6. Resonanzen
Jaspers’ psychiatrische Frühschriften riefen eine heterogene Resonanz hervor, teilten
aber im Grunde ein gemeinsames Schicksal: Sie wurden von der Allgemeinen Psychopa-
thologie assimiliert. Wie Rossmann in der Vorbemerkung zu dem vorliegenden Band an-
deutet, entwickelte Jaspers hier die »methodologischen Grundzüge« seines späteren
Werks.116 Dass die kurz bzw. unmittelbar darauf erschienene Allgemeine Psychopatholo-
gie nicht nur methodologisch, sondern auch thematisch, begrifflich und epistemolo-
gisch von den Vorarbeiten117 zehrt, lässt sich allein schon aus dem Inhaltsverzeichnis
ablesen.118 Es ist schwer denkbar, dass die thematische und chronologische Überschnei-

112 M. Weber: »Die >Objektivität< sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis« [1904],
in: ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 146-214, hier: 191.
113 Ebd., 194.
114 Zur idealtypischen Forschungsmethode bei Jaspers vgl. W. Baßler: Ganzheit und Element. Zwei kon-
troverse Entwürfe einer Gegenstandsbildung in der Psychologie, Göttingen u.a. 1988,147-149.
115 Vgl. hierzu Stellenkommentar, Nr. 336.
116 In diesem Band, S. 2, siehe auch Stellenkommentar, Nr. 1.
117 Hier sei noch einmal darauf aufmerksam gemacht, dass für die letzten drei Aufsätze der Begriff
Vorarbeitern nur durch das Erscheinungsdatum berechtigt ist, da sie zeitgleich zur Allgemeinen
Psychopathologie verfasst wurden, die Mitte April 1913 druckfertig war. Vgl. K. Jaspers an F. Sprin-
ger, 15. April 1913, in: KJG III/8.1,273.
118 Nahezu alle vorher behandelten Themen finden sich in der Allgemeinen Psychopathologie wieder.
Hier seien nur die Überschneidungen zwischen den Aufsatztiteln und den einzelnen Kapitel- bzw.
Absatzüberschriften jener Schrift hervorgehoben: »Die subjektiven Erscheinungen des kranken
Seelenlebens (Phänomenologie)« (Kapitel I), »Trugwahrnehmungen« (Kapitel I, § 1), »Die Zusam-
menhänge des Seelenlebens: I. Die verständlichen Zusammenhänge« (Kapitel III), »Die Zusam-
menhänge des Seelenlebens: II. Die kausalen Zusammenhänge« (Kapitel IV), »Das Ganze des See-
lenlebens: Intelligenz und Persönlichkeit« (Kapitel V), »Entwicklung einer Persönlichkeit« und
»Persönlichkeit und Prozeß« (Kapitel V, § 4). - Für Janzarik ergibt sich aus diesen Vorarbeiten für
die Allgemeine Psychopathologie zusammenfassend »eine Gliederung in die Phänomenologie, die
 
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