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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Editor]; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0028
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Einleitung der Herausgeberin

XXVII

nenderweise wurde Jaspers auch im engeren Kreis um den Grazer Strafrechtler Hans
Gross, der Heimweh und Verbrechen in seiner Zeitschrift druckte, vorwiegend durch die
Allgemeine Psychopathologie rezipiert.124 Anders als von Jaspers erwartet, fand der län-
gere historische Vorspann der Doktorarbeit selbst unter den künftigen Psychiatriehis-
torikern keine Beachtung.125
Es existieren nur wenige Zeugnisse, die es erlauben, die Rezeption von Jaspers’ psy-
chopathologischen Aufsätzen vor der Veröffentlichung der Allgemeinen Psychopatho-
logie zu rekonstruieren. In der Korrespondenz mit den Fachkollegen sind sie nur sel-
ten erwähnt und noch seltener kommentiert. Offenbar verpflichtete auch die
Zusendung von Separata die Beschenkten nicht zu einschlägigen Kommentaren: Hus-
serl, dem Jaspers »Die phänomenologische Forschungsrichtung in der Psychopatho-
logie« zuschickte, antwortete zwar freundlich, würdigte aber die selbständige Gedan-
kenleistung des Autors mit keinem Wort.126
Auch die wenigen gezielten Besprechungen von Jaspers’ psychopathologischen
Schriften in der Fachliteratur sind genauer betrachtet eher Kenntnis- als Stellungnah-
men.127 Erst der Aufsatz über die kausalen und verständlichen Zusammenhänge weckte
endlich das Interesse der Fachkollegen. Dass Jaspers gerade mit diesem Beitrag für größe-
res Aufsehen sorgen würde, zeigte sich indes schon vor dessen Veröffentlichung. Wäh-
rend Alois Alzheimer, Herausgeber der Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie,

124 Vgl. S. M. Bachhiesl: »Kriminalbiologie und Psychologie. Die Rezeption von Karl Jaspers durch
die Grazer Schule der Kriminologie«, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz 38/39 (2017) 343-364.
Zur Publikation der Dissertation vgl. Stellenkommentar, Nr. 8 und 198.
125 Gründe dafür sind in seinem positivistischen Ansatz (»Die Geschichte des Heimwehs ist mehr
eine Geschichte von Irrtümern als die Geschichte haltbarer Anschauungen, die jetzt irgendwie
fest gegründet wären«, Jaspers: »Heimweh und Verbrechen«, in diesem Band, S. 41) und in der un-
zureichenden (direkten) Auseinandersetzung mit der Primärliteratur zu suchen. Zu Jaspers’ his-
torischem Medizinverständnis vgl. H. Schipperges: »Medizin als konkrete Philosophie«, in:
Hersch u.a. (Hg.): Karl Jaspers, 105-106.
126 E. Husserl an K. Jaspers, 19. Mai 1912, in: K. Jaspers: Korrespondenzen II, 374-375. Siehe hierzu auch
Stellenkommentar, Nr. 807. - Jaspers hatte Husserl bereits seinen Aufsatz über die Trugwahrnehmun-
gen geschickt und damit eine ähnliche Reaktion ausgelöst (siehe Stellenkommentar, Nr. 517). Auch
später äußerte sich Husserl nicht zu Jaspers’ phänomenologisch inspirierter Psychopathologie. Die
wiederholten Aufforderungen, seine - Husserls - Phänomenologie nicht als »deskriptive Psycholo-
gie« misszuverstehen, sind jedenfalls keine eindeutigen Anspielungen auf Jaspers. Vgl. hierzu z.B. E.
Ströker: »Phänomenologie und Psychologie. Die Frage ihrer Beziehung bei Husserl«, in: Zeitschrift
für philosophische Forschung 37 (1983) 3-19; D. Fisette: »Stumpf and Husserl on phenomenology and
descriptive psychology«, in: Gestalt Theory 32 (2009) 175-190. Ebenfalls müssen eventuelle Konver-
genzen mit Jaspers’ Psychopathologie, die sich in Husserls Spätwerk herauslesen ließen, eher auf »die
Sachen selbst« zurückgeführt werden. Vgl. S. Luft: »Zur phänomenologischen Methode«, 44.
127 Vgl. zur »Analyse der Trugwahrnehmungen« die Besprechung von R. Allers, in: Zeitschrift für die
gesamte Neurologie und Psychiatrie 15 (1912) 166-167, zur »Phänomenologischen Forschungsrich-
tung in der Psychopathologie« diejenige von K. J. Schwarz, ebd. 9 (1912) 353, und von K. J. Sos-
sinka in: Jahresbericht über die Leistungen und Fortschritte auf dem Gebiet der Neurologie und Psychia-
trie 16 (1913) 1246, sowie zu den »Leibhaftigen Bewusstheiten« G. Hennberg, ebd. 7 (1913) 1022.
 
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