Metadaten

Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0159
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
u6

Eifersuchtswahn

Gefragt, ob er auch schon vor 1892 Wahrnehmungen gemacht habe, erzählte er eine ganze
Menge, die er nur seinerzeit nicht richtig gedeutet habe. Er habe nie an der Treue seiner Frau gezwei-
felt, bis er 1892 seinen Irrtum eingesehen habe. Schon vom fahre 18/0 an sei ihm aufgefallen, daß
verschiedene Männer bei ihm im Haus verkehrten, ohne daß ihm der Zweck recht klar gewesen
wäre. Dieselben hätten sich häufig über ihn lustig gemacht, weil sie mit seiner Frau verkehrten.
Das sei ihm von F. mitgeteilt worden. - 1889 habe er selbst gehört, wie Lehmann seine Frau
gefragt habe, ob er bei ihr schlafen dürfe, und wie diese zugestimmt habe. Er trat nicht dazwi-
schen. »Ich baute immer noch auf die Treue meiner Frau, es war ein dummer Streich.« Zwischen
dem Lehmann und dem F. sei immer ein Gewisper und Gelächter gewesen. F. habe die Aufgabe
gehabt, ihn zu »blockieren«, während Lehmann mit seiner Frau verkehrte. - Einmal sei er im
Dunkeln in das Schlafzimmer gekommen, als seine Frau im Bett lag, da habe diese gesagt: »Läßt
du mir denn gar keine Ruhe, vorhin in der Küche erst und jetzt schon wieder?« Später sei es ihm
wie Schuppen von den Augen gefallen.
Über dieselbe Sache schreibt er 3 Monate später in einer Verteidigungsschrift: »Am Nachmit-
tag dieses Abends hatte ich in unserem Schlafzimmer etwas zu besorgen und dabei eine Feile
auf einem Fenstersims liegen lassen. Zufällig brauchte ich dieselbe eben jetzt und mußte sie
holen. Die Beiden lachten immer noch wie toll. Da ich genau wußte, wo ich das Gesuchte fände,
trat ich, ohne Licht mitgenommen zu haben, in die Kammer, mußte mich jedoch über das Bett
meiner Frau, die ich schlafend glaubte, beugen, um das Gesuchte zu erreichen. Meine Frau
mochte wohl meine Berührung mit dem Bette fühlen und leise, aber ganz deutlich, hörte ich
sie sprechen: Hah jetzt kommst du schon wieder? Du bist, glaub ich, nicht mehr recht. Du hast
mich zuerst in der Küche herumdragiert; dann bis du hereingekommen und hast mich beinahe
kaput gemacht, und jetzt kommscht schon wieder! So viel kann ich ja nicht aushalten! - Ei, Ei
sagte ich, was schwatzest denn du für Zeug daher? Was soll denn das sein? Ja wer bischt denn
du? frug sie dann und fuhr mir mit der Hand befühlend in das Gesicht. Wer werde ich wohl
sein? Als ich ihr sagte, wer ich sei, sagte sie, es habe ihr so dummes Zeug geträumt, und als ich
sie fragte, was das zu bedeuten habe, was sie gesagt habe, sagte sie: habe ich wirklich etwas
gesagt? Da muß es im Traum gewesen sein. Ich glaubte ihr, aber erst später fiel mir ein, daß ja
zwischen Sprechen im Traum und gewöhnlichem Sprechen ein großartiger Unterschied sei.«
Noch viele Gerüchte habe er früher vernommen, auf die er nicht eingegangen sei. »1889 sagte
man mir, mein Laden sei ein Herrenladen und meine Frau eine Blumenkur.« Das bezog sich auf
das Verhältnis der Frau zu dem Blum. Vor diesem hatte ihn auch ein anderer gewarnt, der ihm
riet, den Blum öffentlich einen Schuft zu nennen und ihn durchzuprügeln, ohne die Gründe
dieser Aufforderung anzugeben, die offenbar in dem ehebrecherischen Verhältnis zu seiner Frau
bestanden. Auch ein Leutnant habe ihn vor demselben Mann gewarnt. - Einmal habe er gehört,
wie Lehmann zu S. sagte: »Du bist kein guter Freund von K., sondern von K.’s Frau.« Ein ande-
rer erklärte, K.’s Frau ginge nach X. in ein gewisses Haus und ließe sich für gewisse Dinge 1 Mark
geben. Ja man habe ihn beschuldigt, daß er aus dem unzüchtigen Gebaren seiner Frau Gewinn
ziehe. Auf die Frage, woher er das wisse, antwortet er: »Ich habe Ahnungen, daß so etwas gesagt
wird; Bemerkungen sind gemacht worden, die auf so etwas schließen lassen.« Er sei dagegen
nicht gleich aufgetreten, weil sich solche Dinge wie diese nicht im Wirtshaus verhandeln las-
sen.
Auf seine früheren Behauptungen aufmerksam gemacht, daß er selbst dabeigewesen sei, wie
seine Frau mit anderen den Beischlaf vollzog, will er erst lange nicht mit der Sprache heraus,
schließlich läßt er sich doch herbei, den Vorgang zu schildern: »Es war am 19. März 1892, einem
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften