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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Editor]; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0163
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Eifersuchtswahn

gar nichts, da sagte man selten die Wahrheit, nur um nicht in die Sache verwickelt zu werden.
Wenn aber der und jener gezwungen würde zu schwören, daß er mit der Frau keinen Umgang
gehabt habe, werde er sagen, das könne er nicht. »Es sind auch noch Zeugen da, die besonders
wichtig auszusagen haben; die hätte ich erst im letzten Augenblick genannt.« »Jetzt nenne ich
sie gar nicht mehr. Es hat ja doch keinen Wert mehr. Ich bin ja jetzt doch zugrunde gerichtet.«
Er beschwert sich dringend über das gegen ihn angewandte Verfahren. Wenn einer von einem
anderen »Esel« beschimpft werde, so bekomme er vor Gericht sein Recht. Er bekomme nicht
nur kein Recht, sondern werde dazu noch auf die härteste Weise bedroht, indem er ins Narren-
haus komme. »Es sind viele Dinge da, die zusammengenommen eine Kette bilden.« Es wird K.
nun eingehend die Unsinnigkeit seines Verdachtes auseinandergesetzt, aber ohne jeden Erfolg.
Er ist unerschütterlich fest von der Wahrheit seiner Angaben überzeugt. Schließlich wird er
gegen die Frau immer gereizter und brutaler ausfallend, so daß die Unterredung abgebrochen
wird. Nach dem Weggang der Frau ist K. in heftigster Erregung, muß sich zu Bett legen. Alle Glie-
der täten ihm weh vor Aufregung. Er gerät gleich wieder in heftiges Schimpfen: »Das Lumpen-
mensch, die Frechheit hätte ich ihr doch nicht zugetraut! Daß sie so lügen würde! Sie ist nur
hierhergekommen, um mich schlecht zu machen, daß ich länger hierbleiben muß, und sie
ungestört ihre Sache treiben kann ...« »Sich dafür noch die Reise bezahlen zu lassen!« Als ihm
entgegengehalten wird, daß die Frau nur auf Wunsch des Arztes gekommen, daß dies ihm schon
vor einigen Tagen vom Arzte selbst mitgeteilt worden sei, gibt er das ohne weiteres zu. Trotzdem
bleibt er bei seiner Behauptung, daß die Frau nur deshalb nach Heidelberg gekommen sei, um
ein längeres Festhalten seiner Person zu veranlassen.
Es bedürfen nun noch seine zahlreichen bei den Akten befindlichen Schriftstücke einer beson-
deren Erwähnung. An ihnen fällt eine gewisse Gleichartigkeit des Inhaltes auf, die Übereinstim-
mung ist oft eine wörtliche, die äußere Form ist durch zahlreiche Interpunktionen, Unterstrei-
chungen, Benutzung roter Tinte charakterisiert. Aus dem Inhalt mag noch einiges angeführt
sein, was aus den früheren Schilderungen nicht hervorgeht. 1892 schreibt er: »Selbst der schreck-
lichste Mord ist nicht so schrecklich, nicht so marter- und schmerzvoll«. In einer Anzeige an
die Staatsanwaltschaft steht im selben Jahre, daß er »in Anbetracht seiner furchtbaren Lage zur
Verzweiflung komme«. Er beklagt den »seit langen Jahren mit der raffiniertesten Frechheit
betriebenen Ehebruch.« »Auf die heimtückischste und hinterlistigste Art werden die schänd-
lichsten Dinge verübt.« »Diesen Freveln sind mehrere Kinder entsprossen«. Er stellt, wenn nötig,
sein ganzes Vermögen zur Verfügung, wenn die verdiente Strafe für diese »unerhörten began-
genen Schlechtigkeiten« verhängt wird. - 1893 berichtet er über den Besuch des Bezirksarztes:
»Wie ein Blitz durchzuckte mich der Gedanke, so jetzt ist alles klar! Man hat die saubere Frau
beauftragt, dich in Aufregung zu versetzen und ist gekommen, dich für närrisch zu erklären.«
Der Arzt kam »mit diabolisch zu bezeichnendem Lächeln«. Ferner: »Gerade die hartnäckige Ver-
weigerung, mir die Akten zu zeigen, liefert mir den Beweis, daß dort vielleicht noch mehr zusam-
97 mengebaut ist, als ich erfahren habe.« - | Sein Selbstgefühl tritt charakteristisch hervor: »Nun
wo ist denn der unter denen, die mich närrisch erklärt haben, der mir das nachmacht? Ich
glaube, annehmen zu dürfen, daß es noch nicht reichen wird, selbst wenn man den Verstand
und die Kenntnis und die Festigkeiten aller meiner Feinde zusammen nimmt.« Er bezeichnet
sich als einen »Mann, dessen Kenntnisse und Fertigkeiten gleichsam als ein Wunder dastehen,
weit über die Grenzen unserer Heimat hinausreichen«.
Wenn alles Geld verbraucht sei, dann gäbe es »schließlich nur noch eine Kugel«. Er schließt
mit den Worten: »Vor dem Richterstuhl des ewigen und allmächtigen Gottes werde ich Klar-
 
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