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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0195
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Eifersuchtswahn

um dann einige Einwände zu erörtern und zum Schluß einige weniger typische Fälle
zu bringen.
Klara Fischer, geboren 1851, Bankdirektorsfrau; Aufnahme 1897. - Der Vater war Altphilologe,
wurde in zweiter Ehe geschieden. Er hatte Eifersuchtswahn, beschuldigte seine Frau der Untreue.
Die gerichtliche Scheidung endete mit Konstatierung der Unschuld der Frau. - Auf den Zim-
merböden zog er Kreidestriche, auf den Kreuzungspunkten hatten die Stuhlbeine zu stehen. Er
ließ sich im Pelzrock begraben.
Die Pat. war ein mittelmäßig begabtes Kind. Sie machte zunächst den gewöhnlichen Bildungs-
gang durch. Mit 16 Jahren ging sie zur Bühne. Jahrelang war sie in Amsterdam. Photographien
aus jener Zeit sollen durch Stellung und eigenartigen Blick auffällig sein. - Mit 26 Jahren verhei-
ratete sie sich. Sie hat 3 Kinder von 15,13 und 9 Jahren. Kein Abortus. Die Geburten verliefen ohne
jede Störung. - Sie war von jeher etwas exzentrisch; immer »plötzlich«, in ihrem Urteil schnell.
Sie vertrug keinen Widerspruch. Als Hausfrau war sie stets auf ihrem Posten, wenn auch alles sehr
schablonenhaft erledigt wurde. Ihre Auffassung vom Leben war etwas absonderlich, so daß sie
sich mit anderen nie längere Zeit gut vertragen konnte. Sie war immer von der Unfehlbarkeit
ihrer Ansichten überzeugt und gab niemals nach. Die Kinder wurden stets mit großer Sorgfalt
gepflegt, doch hatte sie auch hierbei so ihr System, von dem nicht abgewichen wurde.
Von Beginn der Ehe an war sie eifersüchtig. Seit U/z Jahren, nach anderer Angabe seit 5 Jah-
ren, hat sich diese Eifersucht wesentlich verschlimmert. Sie leidet an einer Knochengeschwulst,
die die Vagina verlegt, weswegen der Mann den Coitus vermied. Darüber weinte sie oft und
machte ihm Vorwürfe. Sie befindet sich im Klimakterium. Die letzten Menses traten im Okto-
ber 1896 und Mai 1897 auf. Noch einmal erschienen sie im Januar 1898. - Die Eifersucht hatte
zur Bildung von Wahnideen geführt, sie warf dem Mann vor, daß er mit allen möglichen Frau-
enzimmern verkehre, dabei glaubte sie immer, der Mann werde verführt. Jedes Mädchen, das an
der Bank vorbeigeht, geht nur wegen ihres Mannes vorbei. Sie sieht genau, wie »die Blicklinie
des Mädchens sich mit der des Mannes kreuzt«, denn sie habe ein scharfes Gesicht, das habe sie
vom Vater geerbt, der konnte auch »um die Ecke sehen«. - In der elektrischen Bahn beobach-
tete sie, wie der Mann eine Zeitung herauszog, um hinter derselben mit einer neben ihm sitzen-
den Dame in Beziehung zu treten. Mit dieser und anderen wechselt er Blicke; sie weiß genau,
daß er später mit ihnen Zusammenkünfte hat. Mit Frau Dr. J. und Frau Dr. K., »dem rothaari-
gen Mensch«, habe ihr Mann ein Verhältnis. Widersprach der Mann, verlangte sie, daß der Mann
den Beweis liefern solle, daß er nicht untreu sei. Sie kramte in Papierkörben und kombinierte
sich Sachen aus gefundenen Papierfetzen.
124 | Sehr neidisch war sie auf junge Damen, sie jammerte, daß sie alt und häßlich werde; gern
wurde sie pathetisch: Der Mann warte ja nur auf ihren Tod. Ein andermal wieder klagte sie über
Vernachlässigung in der vita sexualis von Seiten ihres Mannes und meinte, sie sei eine hübsche,
kräftige, junge Frau. Alles was sie sprach, lief schließlich auf sexuelle Dinge und ihre Eifersucht
hinaus.
Dabei wurde sie sehr aktiv. Sie ging auf die Polizei, um Mädchen unter Kontrolle stellen zu
lassen, beauftragte den Hausarzt, dem Mann nachzuspüren und zu erkunden, mit wem er Bezie-
hungen habe. Sie schickte ihm das Dienstmädchen nach ins Hotel, ließ ihn durch Verwandte
beobachten und ließ sich Prospekte von Detektivinstituten kommen. Mit allen sprach sie über
ihre Eifersuchtsgeschichten. Sie beschuldigte ihren Mann unerlaubter Beziehungen zu den
Institutsfreundinnen ihrer Tochter und ließ durch das Dienstmädchen im Institut sagen, alle
 
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