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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0223
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i8o

Die Methoden der Intelligenzprüfung und der Begriff der Demenz

das Ungünstigste einwirkt. Die schlechten Resultate, die die Inventaraufnahme ergab,
mögen zum Teil dadurch bedingt sein. Daß wir z.Z. nicht imstande sind, die Größe die-
ser Fehlerquelle abzuschätzen, macht uns etwas unsicher in der Hinnahme der Ergeb-
nisse. Wenn Rodenwaldt meint, daß die Befangenheit sich in gleicher Weise im Leben
und bei analogen Untersuchungen geltend machen würde, so möchten wir im Gegen-
teil glauben, daß diese Befangenheit unter verschiedenen Umständen ganz verschie-
den ist (z.B. in einer Klinik anders als beim Militär, nach der Art der prüfenden Persön-
lichkeit wechselnd usw.), und daß sie völlig unabhängig von Besitzstand und Intelligenz
Ausdruck des Charakters ist, der bei dem einen bei dieser, bei dem anderen bei jener
Gelegenheit die hemmende Affektwirkung herbeiführt. Der Vermutung, daß dies bei
Rodenwaldts Ergebnissen mitwirkt, steht seine eigene Angabe entgegen: »Ich habe
nicht den Eindruck gewinnen können, daß irgendeiner aus Ängstlichkeit etwa weniger
produziert hätte, als er besaß, im Gegenteil, daß jeder es wirklich zu einer Maximallei-
stung brachte.«390
Einen beachtenswerten Einwand hat Berze'3?1 gegen Rodenwaldt gemacht. Berze
unterscheidet die Kenntnisse, die als allgemein verbreitet angenommen werden (A), von
denen, die dem Individuum eigentümlich sind (X). Das Inventar setze sich aus A + X
147 zusammen, und je nach Berufsarten sei X groß, A aber | gering. Rodenwaldt habe
nun bloß »das auf Allgemeinbildung bezügliche geistige Inventar Gesunder«392 aufge-
nommen, welches durchaus kein Maßstab für das gesamte Inventar sei. Auch diesen
Einwand hat Rodenwaldt vorausgesehen. Er meint: »Ich habe bei einigen Leuten mit
den größten Defekten, so gut ich vermochte, Fragen nach ihrem Beruf gestellt und
fand, daß sie auch dort weniger wußten als jeder Gebildete, z.B. in der Landwirtschaft.
Demnach glaube ich, würden auch Anordnungen von Defektprüfungen, in denen
man alle Leute entsprechend ihren Berufen prüfte, kein wesentlich günstigeres Resul-
tat ergeben.«393 Es ergibt sich daraus jedoch, daß die von Berze aufgeworfene Frage
noch offen ist und daß jemand, der ähnliche Untersuchungen anstellen würde, gerade
auf diesen Punkt achten müßte, zumal die Ansicht Berzes nach der gewöhnlichen
Lebenserfahrung einleuchtender ist, als die Rodenwaldts.
In einer zweiten Arbeit"394 hat Rodenwaldt dieselben Untersuchungen an Solda-
ten vorgenommen, die im dritten Jahre dienten, um ein Urteil über den Einfluß der
militärischen Erziehung zu gewinnen. Es ergab sich, daß das Inventar nur auf den Gebie-
ten, welche einen Anschauungsunterricht erlaubten, zugenommen hatte. Besonders
was in Felddienst und Manöver erlebt wurde, bereicherte die Kenntnisse. Im übrigen
blieben diese sich gleich oder nahmen sogar ab (in der sozialen Orientierung). Dage-

i Berze, Über das Verhältnis des geistigen Inventars zur Zurechnungs- und Geschäftsfähigkeit. Ju-
rist. psych. Grenzfragen 1908, 53 ff.
ü Rodenwaldt, Der Einfluß der militärischen Ausbildung auf das geistige Inventar der Soldaten.
Mon. f. Psych. u. Neur. 19, 67 u. 179.1906.
 
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