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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0227
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Die Methoden der Intelligenzprüfung und der Begriff der Demenz

fähigste Symptom des Schwachsinnes darstellen. Er glaubt zwar, daß das mangelnde
Unterscheidungsvermögen zwischen Begriffen eine quantitative Einbuße am Inhalt
des Bewußtseins erkennen lasse. Er trennt jedoch die Besprechung dieser Erscheinun-
gen von der Besprechung der Defekte an Kenntnissen, ohne diese Trennung, die ihm
offenbar selbstverständlich war, besonders zu betonen. Da aber Kenntnisse und
Begriffsunterscheidungen beide zum Gegenstandsbewußtsein (= Inhalt des Bewußt-
seins, Wernicke) gehören, dürfen wir hier, weil das Vorhandensein beider nach allge-
meiner Anschauung für die Intelligenz so verschieden bewertet wird, Sinneswahrneh-
mung, Erinnerung daran und Allgemeinvorstellungen dem Beziehungsbewußtsein
oder dem logischen Bewußtsein gegenüberstellen, welch letztere Kategorie bei den
»Unterscheidungen« in Frage kommt. Es kann jemand einen großen »Inhalt des
Bewußtseins« haben, was Einzelvorstellungen und auch was Allgemeinvorstellungen
betrifft, ohne doch Unterschiede genauer präzisieren zu können und umgekehrt. Mit
Allgemeinvorstellungen arbeiten wir alle immerfort, ohne diese immer auf einen
Begriff zu bringen. Der Intelligente vermag nur jeden Augenblick mit einigem Nach-
denken, wenn es auf einen bestimmten Punkt ankommt, die für diesen wesentlichen
Merkmale der dunklen Allgemeinvorstellung sich zum Bewußtsein zu bringen,
wodurch er erst in den Besitz eines Begriffes kommt, in dem ja im Gegensatz zur All-
gemeinvorstellung alles klar gedacht sein muß. Hier sind nun die Unterschiedsfragen
darum so geeignet, weil sie so gestellt werden können, daß die betreffenden Allgemein-
vorstellungen sicher im Besitz des Geprüften sind, somit dabei eine Kenntnisprüfung
so gut wie wegfällt. Es kommt daher auf den besonderen Inhalt der Unterschiedsfra-
gen gar nicht so sehr an, vielmehr darauf, daß sie aus dem vorhandenen Schatz an All-
gemeinvorstellungen gewählt werden. Wohl jeder kennt z.B. eine Treppe und eine Lei-
ter, die Frage nach den Unterschieden zwischen beiden erfordert aber eine geistige
Arbeit, an deren Leistung die Fähigkeit, Begriffe zu bilden, beurteilt werden kann*. Lei-
der aber auch nicht ohne weiteres. Ziehen“, der sich eingehend über die Methode der
Unterschiedsfragen äußert und beachtenswerte Einzelanweisungen gibt, betont, wie
sehr es auf die Sprachgewandtheit dabei ankommt. Geschickt formulierte Definitionen
seien nicht ausschlaggebend, es komme darauf an, ob dem Individuum eine wesent-
151 liehe Partialvorstellung vorgeschwebt habe. (Wir würden sagen: ein wesentliches |
Merkmal, weil es sich nicht immer um Vorstellungen, sondern auch um Beziehungen
handeln kann, in gewissem Grade sogar immer handeln muß, da die Partialvorstellung
nur »wesentlich« durch die Beziehung auf irgendeinen Gesichtspunkt ist.) Ziehen
schlägt vor, im Falle ein Unterschied nicht gefunden wird, umgekehrt vorzugehen und

i Natürlich nicht nach einer Frage. Es ist vielmehr selbstverständlich, daß solche Fragen, möglichst
den betreffenden Individuen angepaßt, im Laufe der Unterhaltung in größerer Zahl gestellt wer-
den, wie sie sich gerade einfügen lassen.
ü Ziehen, Die Prinzipien und Methoden der Intelligenzprüfung. Berlin 1908, S. 27 ff.
 
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