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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0242
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Die Methoden der Intelligenzprüfung und der Begriff der Demenz

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sei zur | Intelligenzprüfung wohl auf Witze zu übertragen. Er betont, daß zwar in jeder 164
geistigen Kombinationsleistung ein »Raten« stattfindet, und daß man daher diese nur
dadurch prüfen könne, daß man etwas erraten lasse. Ganz anders wird die Sache nur,
»wenn man an das Raten im engeren Sinne denkt, nämlich an das Raten von absicht-
lich erdichteten Rätseln. Dieses Rätsel ist eine Kunstform. Es veranlaßt freilich auch
eine Entfesselung der kombinatorischen Verstandestätigkeit, aber mit einer ganz
bestimmten Absicht, nämlich mit der Absicht, dadurch ästhetisch zu erfreuen. Um
dies zu erreichen, wird (aus Gründen, die hier nicht interessieren) das Zustandekom-
men der Kombination absichtlich erschwert, die Gedanken werden zwar einerseits auf
den Gegenstand hin, andererseits aber auch von ihm weg und in die Irre gelenkt. Das
kunstmäßige Rätsel ist ein >Vexierspiel des Scharfsinns< (Köstlin). Seine Lösung erfor-
dert zwar eine gewisse Intelligenz, zugleich aber auch die Fähigkeit, die Gedanken
etwas ins Blaue hinein, wie man sagt, herumfahren zu lassen. Zu einer eigentlichen
Intelligenzprüfung eignet es sich daher ganz und gar nicht.«437 -
Einer allgemeinen Verbreitung erfreut sich die Methode, Erzählungen von Kranken
wiedergeben zu lassen'.438 Man bekommt in der Tat auf diese Weise oft einen recht
anschaulichen Eindruck ihrer geistigen Leistungsfähigkeit. Zahlenmäßige Ergebnisse
hat man damit noch nicht zu gewinnen versucht. Die Anordnung der Methode ist in
Analogie zu der der Aussageversuche mit Bildern zu gestalten (Vorlesen oder selbst
lesen lassen, Spontanbericht, Verhör, eventuell Suggestivfragen und Fragen bezüglich
Urteil). -
Bisher nicht entwickelt sind Methoden, die Intelligenz dadurch zu prüfen, daß man
den Kranken nicht irgend konkrete Objekte, wie Bilder und Vorgänge, sondern Gedan-
kengänge vorlegt, um zu sehen, wie weit sie solche verstehen. (Etwa Erklärung des Zustan-
dekommens von Tag und Nacht, von Sommer und Winter. Solche Beispiele müssen
natürlich sehr variieren und dem Individuum angepaßt sein.) Solche Art Prüfung wird
bei der Untersuchung auf leichten Schwachsinn in praxi wohl schon mit Erfolg ver-
wendet, insofern positive Leistungen eine erhaltene Intelligenz im Zweifel sehr ein-
leuchtend demonstrieren können.
In einer eben erschienenen Arbeit hat Becker“439 Aufgaben gesammelt, »die eine
möglichst geringe Anforderung an das Gedächtnis, an den Wortschatz, an die zufällige
Bereitschaft vieler Assoziationen stellen, desto mehr aber an die Verstandestätigkeit, an

i Sie geht aus von Möller, Über Intelligenzprüfungen, ein Beitrag zur Diagnostik des Schwach-
sinns. Diss. 1897, U. a. von Ziehen empfohlen. - Sommers Klinik für psych. u. nerv. Krankh. 1, 44,
138. - Zuletzt haben Koppen und Kutzinski, Systematische Beobachtungen über die Wiedergabe
kleiner Erzählungen durch Geisteskranke, Berlin 1910, alle Formen von akuten und chronischen
Geisteskrankheiten mit dieser Methode untersucht. Unter ihrem großen Material finden sich auch
Protokolle, die als Wiedergabe von Intelligenzprüfungen in unserem Sinne aufzufassen sind.
ü Becker, Zu den Methoden der Intelligenzprüfung. Sommers Klinik f. psych. u. nerv. Krankheiten
5,i-
 
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