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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Editor]; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0259
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Die Methoden der Intelligenzprüfung und der Begriff der Demenz

ter Gegenstände. Das Wesen einer Sache kennt hier um so besser, wer alle ihre Beziehun-
gen kennt. Die Abstraktion auf physischem Gebiet kann sich räumlicher Trennung
bedienen, die psychologische hat den besonderen Vorzug, die Trennung durch »Verste-
hen« von Zusammenhängen vornehmen zu können. Den Sinn für die besondere Art der
psychologisch abstrahierten Gegenstände muß man besitzen, wenn man nicht durch
falsche Übertragung der Gesichtspunkte vom physischen Gebiet her sich blind für das
180 | Erfassen psychologischer Begriffsbildung machen will. Wer darum immer bei der
Behauptung von der Seele als einem Ganzen, so richtig sie ist, stehen bleibt - in praxi
pflegt er doch, ohne es zu wissen, die psychologische Analyse zu brauchen -, bleibt bei
jenem allgemeinen verschwommenen Demenzbegriffe. Wollen wir in unserem Referat
die Leistungen würdigen, die gemacht sind, diesen aufzulösen, müssen wir uns daher
des Verständnisses für diese psychologische Analyse in ihrer Eigenart befleißigen. Wir
gehen darum zunächst auf die allgemeinsten Trennungen ein, die wir zum Bericht dar-
über, was man Demenz nennt, brauchen.
Bei der Analyse des Seelenlebens findet man immer den doppelten Gesichtspunkt der
Betrachtung: Man faßt psychische Vorgänge nach Analogie mechanischen Geschehens
auf, und man sieht dieses mechanische Geschehen gewissermaßen als Werkzeug in den
Händen einer Persönlichkeit. Mechanischer Ablauf und Aktivität stehen sich gegenüber,
aber nicht als getrennte Wesen, sondern in gegenseitiger enger Verflechtung. Die Akti-
vität wirkt auf das mechanische Geschehen, und das mechanische Geschehen hat Fol-
gen für die Aktivität. Es handelt sich nicht um verschiedene Funktionen, sondern um
verschiedene Gesichtspunkte, deren Anwendung allerdings je nach der Art des psy-
chischen Geschehens mehr oder weniger gefordert wird. Der Ablauf von Phantasie-
vorstellungen wird etwa mehr mechanisch, eine zielbewußte Willenshandlung mehr
vom Gesichtspunkt der Aktivität angesehen werden. Doch hindert nichts, auch letz-
tere einmal mechanisch anzusehen und in ersterem Momente der Aktivität zu suchen.
Wegen der Heterogenität beider Gesichtspunkte, die durch das Seelenleben gefordert
ist, besteht natürlich kein Übergang zwischen beiden. Jedoch bietet jeder psychische
Vorgang Anlaß, beide, nur in verschiedenem Grade, anzuwenden. Werkzeug und
Wille, Material und Persönlichkeit stehen sich für unsere Betrachtung immer gegen-
über. In unseren Habitusschilderungen darf beides durcheinander geraten, bei unse-
ren begrifflichen Überlegungen müssen wir den Versuch machen, beides zu trennen.
Wenn wir den Versuch für die Intelligenz machen, so stoßen wir vom Gesichtspunkt
der mechanisch arbeitenden Werkzeuge zunächst auf eine Reihe von Vorbedingungen der
Intelligenz, die wir hier nur aufzählen können, so wichtig sie sind: Der Grad der Ermüd-
barkeit, Übungsfähigkeit und die anderen psychischen »Grundeigenschaften«
Kraepelins,477 die Merkfähigkeit, die Intaktheit des Sprachapparates1,478 die von

Liepmann (Über die Funktion des Balkens beim Handeln und die Beziehungen von Aphasie und
Apraxie zur Intelligenz. Drei Abhandlungen aus dem Apraxiegebiet 1908, 66 ff.) hat dargestellt,
 
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