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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0294
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Zur Analyse der Trugwahrnehmungen

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ehesten scheint uns eine Vereinigung möglich bei der Annahme eines primären Ton-
raumes (einer Annahme, die allerdings irgendwie durch direkte Beobachtung bestätigt
werden müßte). Wenn alle Räumlichkeit der akustischen Wahrnehmungen eine
sekundäre wäre, dann müßte es bei den akustischen Wahrnehmungen wie Vorstellun-
gen gleichgültig sein, ob diese sekundäre Räumlichkeit die objektive oder subjektive
wäre. Dann müßte eine akustische Pseudohalluzinationen in den leibhaftigen Gesichts-
raum lokalisiert werden können, was jedoch - soweit die Beobachtung reicht - nicht
geschieht: Gibt es aber einen eigenen Tonraum, so ist diese Tatsache - wenn sie beste-
hen bleibt - ohne weiteres verständlich: der leibhaftige optische Raum kann nur mit
dem leibhaftigen akustischen Raum sich verbinden, dagegen nicht mit einem subjekti-
ven akustischen Raum, da zwischen objektivem und subjektivem Raum eine völlige
Diskontinuität besteht.
Auch das übrige würde sich erklären lassen: wir werden real umgeben sowohl von
einem leibhaftigen wie einem (hinter uns und hinter den Gegenständen) vorgestellten
optischen Raum, dagegen nur von einem leibhaftigen akustischen Raum. Das liegt am Bau
der Sinnesorgane. Daher besteht zwischen dem vorgestellten Raum, sofern er eine
unmittelbare Ergänzung des objektiven darstellt, und diesem letzteren auf optischem
Gebiet keine Diskontinuität. Der als unmittelbare Ergänzung vorgestellte optische Raum
ist daher imstande, sich mit der leibhaftigen akustischen Wahrnehmung lokalisato-
risch zu verbinden. So erklärt sich die Tatsache, daß in dem hinter uns vorgestellten
optischen Raum sowohl leibhaftige wie pseudohalluzinatorische akustische Wahrneh-
mungen lokalisiert werden können. Dieser Raum hat als unmittelbare Ergänzung des
leibhaftigen optischen die Fähigkeit, akustische Wahrnehmungen zu lokalisieren, als
vorgestellter Raum aber zugleich die Fähigkeit, vorstellungsmäßigen sinnlichen Gebil-
den, wie akustischen Pseudohalluzinationen, Lokalisation zu geben.
| Diese wenigen Bemerkungen legen mehr die Schwierigkeiten dar, die uns die Man- 212
nigfaltigkeit der Tatsachen über räumliche Lokalisation der akustischen Wahrneh-
mungen bereiten, als daß sie eine Lösung geben. Da es uns in höherem Grade auf eine
Klärung der Fragestellungen ankommt, würde uns eine weitere Untersuchung dieser
zum Ganzen der hier erörterten Probleme relativ nebensächlichen Dinge zu viel Raum
beanspruchen und uns vom Ziele ablenken. Wir begnügen uns daher mit diesen
Andeutungen. -
Ein besonderer Tastraum wird allgemein anerkannt. Wir sehen auch unmittelbar
den Unterschied eines objektiven und subjektiven Tastraums ein, dessen, in dem wir
die leibhaftigen Tastwahrnehmungen machen, und dessen, in dem wir uns Tastvor-
stellungen, z.B. der Rundung einer Kugel, machen. Nur ein großer Unterschied zwi-
schen dem subjektiven Gesichts- und dem subjektiven Tastraum besteht, der, daß wir
das Tasten nur in nächster Nähe vorstellen können - es muß immer am Körper gesche-
hen -, während die Gegenstände der Gesichtsvorstellungen in weite Ferne rücken kön-
nen. Vielleicht beruht hierauf, daß eine entsprechende Unterscheidung wie bei dem
 
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