288
Zur Analyse der Trugwahrnehmungen
im »Roman« zu leben, und daß er in passiver Weise in diesem Roman erleiden muß,
was diese in den Geschicks]ahren über ihn verhängt haben. Würde der Mann zu ein-
gehender Auskunft bereit und zu psychologischer Beobachtung fähig gewesen sein,
so würden wir haben feststellen müssen, ob seiner Theorie vom Roman eine einheitli-
che Klasse tatsächlicher Phänomene zugrunde liegt, etwa pseudohalluzinatorische
Wahrnehmungen, teilweise isoliert, teilweise in einem entrückten Zustand, oder etwa
eine besondere Art leibhaftiger Wahrnehmungen, die durch bestimmte Merkmale
(Mangel an Festigkeit, Durchsichtigkeit) von anderen Wahrnehmungen unterschie-
den sind, oder ob sich verschiedenartige Phänomene zusammengefunden haben, die
er in seiner Idee vom Roman einheitlich deutet. Wir würden dann festzustellen haben,
wie eventuelle abgegrenzte Erlebnisse verlaufen sind, welche Beziehungen diese zu iso-
lierten Erscheinungen haben usw. Leider ist das in diesem wie in den meisten derarti-
gen Fällen nicht möglich gewesen.
Die von uns geschilderten Fälle, besonders die letzten, sind jeder für sich genom-
men wenig beweisend, unklar, geben mehr Fragen auf als daß sie Antworten möglich
machen. Wenn wir trotzdem diese Fälle aufführten, so taten wir es, weil es zur Zeit
keine besseren gibt, und weil es den Stand unserer Wissenschaft zum Ausdruck bringt,
an dem vorliegenden Material die Gesichtspunkte der Fragestellung zu entwickeln. So kön-
nen wir daran mitwirken, daß derjenige, der das Glück hat, einen guten psychologi-
schen Selbstbeobachter und auskunftsbereiten Menschen als Kranken zu explorieren,
leichter sieht, was der allgemeinen Psychopathologie fehlt, und was sie unter anderem
auf dem Gebiete der Trugwahrnehmungen analysieren muß. Denn davon sind wir
überzeugt, daß nur einzelne seltene, sich selbst gut beobachtende Kranke diese allgemeine
Psychopathologie, was das Material angeht, wirklich fördern können.
Vielleicht wendet man ein, die Untersuchung der Realitätsurteile über Sinnestäu-
schungen durch Verstehen sei zwecklos. Immer seien Geisteskranke, die Trugwahrneh-
mungen haben, auch sonst krank, ja jedes falsche Realitätsurteil über eine Hallucina-
tion sei schon Wahnidee. Ein normales Bewußtsein würde sie immer erkennen.
Demgegenüber meinen wir, daß es erstens Sinn hat, die verständlichen Zusammen-
hänge im Realitätsurteil herauszuschälen, um auf diesem Wege, wie sonst so auch hier,
zu den letzten unverständlichen Elementen, zu den eigentlich krankhaften Elementen der
betreffenden Erscheinungen zu kommen. Das Verstehen ist uns immer eine wichtige
Methode, nicht bloß weil uns das Verstandene interessiert, sondern gerade weil wir
erst durch Aussonderung des »Verstandenen« zum »Verrückten« kommen, das sich in
manchen Fällen, die auf den ersten Blick die reichste Symptomatologie und die zahl-
reichsten Ideen zeigen, auf sehr weniges reduzieren mag.
Und zweitens sind wir der Ansicht, daß ein ganz normales Bewußtsein, wenn es auch
ausschließlich von Trugwahrnehmungen betroffen wird, sich sehr wohl täuschen lassen
kann, und daß die Wege der Täuschung, der teilweise oder gänzlich fehlenden, wie der
245 völligen Korrektur dem Verständnis zugänglich sind. Hier gewinnen Versuche an
Zur Analyse der Trugwahrnehmungen
im »Roman« zu leben, und daß er in passiver Weise in diesem Roman erleiden muß,
was diese in den Geschicks]ahren über ihn verhängt haben. Würde der Mann zu ein-
gehender Auskunft bereit und zu psychologischer Beobachtung fähig gewesen sein,
so würden wir haben feststellen müssen, ob seiner Theorie vom Roman eine einheitli-
che Klasse tatsächlicher Phänomene zugrunde liegt, etwa pseudohalluzinatorische
Wahrnehmungen, teilweise isoliert, teilweise in einem entrückten Zustand, oder etwa
eine besondere Art leibhaftiger Wahrnehmungen, die durch bestimmte Merkmale
(Mangel an Festigkeit, Durchsichtigkeit) von anderen Wahrnehmungen unterschie-
den sind, oder ob sich verschiedenartige Phänomene zusammengefunden haben, die
er in seiner Idee vom Roman einheitlich deutet. Wir würden dann festzustellen haben,
wie eventuelle abgegrenzte Erlebnisse verlaufen sind, welche Beziehungen diese zu iso-
lierten Erscheinungen haben usw. Leider ist das in diesem wie in den meisten derarti-
gen Fällen nicht möglich gewesen.
Die von uns geschilderten Fälle, besonders die letzten, sind jeder für sich genom-
men wenig beweisend, unklar, geben mehr Fragen auf als daß sie Antworten möglich
machen. Wenn wir trotzdem diese Fälle aufführten, so taten wir es, weil es zur Zeit
keine besseren gibt, und weil es den Stand unserer Wissenschaft zum Ausdruck bringt,
an dem vorliegenden Material die Gesichtspunkte der Fragestellung zu entwickeln. So kön-
nen wir daran mitwirken, daß derjenige, der das Glück hat, einen guten psychologi-
schen Selbstbeobachter und auskunftsbereiten Menschen als Kranken zu explorieren,
leichter sieht, was der allgemeinen Psychopathologie fehlt, und was sie unter anderem
auf dem Gebiete der Trugwahrnehmungen analysieren muß. Denn davon sind wir
überzeugt, daß nur einzelne seltene, sich selbst gut beobachtende Kranke diese allgemeine
Psychopathologie, was das Material angeht, wirklich fördern können.
Vielleicht wendet man ein, die Untersuchung der Realitätsurteile über Sinnestäu-
schungen durch Verstehen sei zwecklos. Immer seien Geisteskranke, die Trugwahrneh-
mungen haben, auch sonst krank, ja jedes falsche Realitätsurteil über eine Hallucina-
tion sei schon Wahnidee. Ein normales Bewußtsein würde sie immer erkennen.
Demgegenüber meinen wir, daß es erstens Sinn hat, die verständlichen Zusammen-
hänge im Realitätsurteil herauszuschälen, um auf diesem Wege, wie sonst so auch hier,
zu den letzten unverständlichen Elementen, zu den eigentlich krankhaften Elementen der
betreffenden Erscheinungen zu kommen. Das Verstehen ist uns immer eine wichtige
Methode, nicht bloß weil uns das Verstandene interessiert, sondern gerade weil wir
erst durch Aussonderung des »Verstandenen« zum »Verrückten« kommen, das sich in
manchen Fällen, die auf den ersten Blick die reichste Symptomatologie und die zahl-
reichsten Ideen zeigen, auf sehr weniges reduzieren mag.
Und zweitens sind wir der Ansicht, daß ein ganz normales Bewußtsein, wenn es auch
ausschließlich von Trugwahrnehmungen betroffen wird, sich sehr wohl täuschen lassen
kann, und daß die Wege der Täuschung, der teilweise oder gänzlich fehlenden, wie der
245 völligen Korrektur dem Verständnis zugänglich sind. Hier gewinnen Versuche an