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ZU DEN KHAROSTHI INSCHRIFTEN

GERARD FUSSMAN

Die zunächst anhand von Photographien aus dem Archiv der Heidelberger Forschungsstelle vorgenomme-
ne Lesung der Kharosthi-Inschriften von Oshibat konnte im September 1992 vor Ort überprüft werden
und kann somit als ziemlich sicher gelten. Diese im Verhältnis gesehen sehr wenigen Inschriften (9 Kha-
rosthl- gegenüber 230 Brähmi-Inschriften) sind auf nur fünf Felsen verteilt, von denen zwei (die Steine
18 und 39) mit zahlreichen weiteren Inschriften und Zeichnungen versehen sind. Eine Besichtigung des
Geländes und ein Studium des Stationsplanes lieferten keine Erklärung für diese topographische Vertei-
lung der Inschriften, die zufällig zustande gekommen zu sein scheint.
Alle Kharosthi-Inschriften der Station Oshibat datieren in die Kusäna-Zeit (2. oder 3. Jh. n. Chr.). Die
fünf Kharosthi-Inschriften von Stein 18 sind darüber hinaus ungefähr gleichzeitig entstanden: die gleiche
Schrift, die gleiche schwache Pickung, die gleichen Formulierungen, die gleiche Syntax und die gleiche
Onomastik, die sich (vielleicht nur aufgrund der unsicheren Lesung) einer Etymologie entzieht. Sie stam-
men aus dem Jahre 80 der Kaniska-Ära, mithin aus dem Jahr 158 unserer Zeitrechnung (wenn man das
Jahr 78 n. Chr. zugrunde legt) und wurden vielleicht von einer einzigen Gruppe Reisender eingeritzt.
Die Inschriften 53:1 und 103:2 scheinen isolierte Gravuren zu sein, über die es nichts weiter zu sagen
gibt. Die Inschrift 39:34 befindet sich auf einem Felsen, auf dem auch zahlreiche Zeichnungen, aber kei-
ne weiteren Inschriften zu erkennen sind. Sie ist das Werk eines selbstbewußten Mannes, der seinen Na-
men entweder selbst oder von jemand anderem in großen, sorgfältig ausgeführten Lettern über einen
deutlich sichtbaren Teil des Felsens gravierte bzw. gravieren ließ. Die Onomastik ist rein sanskritisch und
brahmanisch, so daß anzunehmen wäre, daß die Inschrift in hybridem Sanskrit verfaßt wurde, wenn man
nicht wüßte, daß die Archaismen des Gändhärl zuweilen den Eindruck vermitteln, als ob man es mit ei-
nem sanskritisierten Text zu tun hätte. Die Analyse der Namen und der Formulierungen erlaubt keine
Rückschlüsse auf den oder auf den Beruf des Vighnadeva, wenn er auch wohl kaum ein buddhisti-
scher Mönch gewesen sein dürfte. So weiß man lediglich, daß er aus Gandhära oder dem Norden des
Panjab stammte.
 
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