80 Schopenhauer als Erzieher
lian) als auch zeitgenössische Rhetorik-Lehrbücher von Richard Volkmann, die
er für seine eigenen Rhetorik-Vorlesungen an der Universität Basel nutzte,
nämlich Hermagoras oder Elemente der Rhetorik (1865) und Die Rhetorik der
Griechen und Römer in systematischer Übersicht (1872). - Zu den rhetorischen
Strategien, mit denen N. in UB II HL Pathos erzeugen wollte, gehört der Rück-
griff auf eine Vielzahl von rhetorischen Figuren (vgl. in UB II HL z. B. KSA 1,
252, 34 - 253, 9 sowie KSA 1, 277-278). Mit auffallender Häufigkeit verwendet
N. insbesondere Wiederholungs-, Häufungs-, Erweiterungs- und Steigerungsfi-
guren (Iteratio, Accumulatio, Amplificatio und Anaphern) sowie ausdrucks-
starke Metaphern. Vgl. dazu exemplarisch NK 1/2, 294-298.
347, 25 höfische Anmuth der guten französischen Schriftsteller] Hier kontrastiert
N. bereits Eleganz und Esprit der Franzosen mit dem „Schwer- und Tiefsinn"
der Deutschen (391). Diese Opposition vertieft er im 6. Kapitel von UB III SE,
um sie dann ganz auf Kosten der Franzosen zu radikalisieren. Der Wechsel von
neutraler zu pejorativer Charakterisierung klingt in dem Verb „verschmähen"
(347, 26) bereits an, wenn N. die Ansicht vertritt, dass „Schopenhauer's rauhe
und ein wenig bärenmässige Seele die Geschmeidigkeit und höfische Anmuth
der guten französischen Schriftsteller nicht sowohl vermissen als verschmä-
hen" lehre (347, 23-26). Anschließend polemisiert er dann sogar gegen Imitati-
onsversuche deutscher Autoren, die sich auf das „nachgemachte gleichsam
übersilberte Scheinfranzosenthum [...] so viel zu Gute thun" (347, 27-28). Damit
schließt N. tendenziell auch an literarische Debatten der Sturm-und-Drang-
Epoche an: So wendete sich etwa Jakob Michael Reinhold Lenz 1774 in seiner
dramentheoretischen Schrift Anmerkungen übers Theater dezidiert gegen die
Normen der Aristotelischen Poetik und gegen die Autoren des französischen
Klassizismus, die sich strikt an den Prinzipien der Poetik orientierten; im Sturm
und Drang avancierte Shakespeare nicht nur für Lenz, sondern auch für Goethe
zum paradigmatischen Vorbild. - Zu den Kontroversen der Realisten und Idea-
listen (Goethe, Lenz, Büchner versus Aristoteles, Winckelmann, Schiller) vgl.
Neymeyr 2012a, 198-220.
347, 29-30 Schopenhauers Ausdruck erinnert mich hier und da ein wenig an
Goethe, sonst aber überhaupt nicht an deutsche Muster.] Eine aufschlussreiche
Variante hierzu bietet die Reinschrift, die als Vorlage des Druckmanuskripts
fungierte: „an die Engländer mehr als an irgend welche" (KSA 14, 75).
347, 31-32 das Tiefsinnige einfach, das Ergreifende ohne Rhetorik, das Streng-
Wissenschaftliche ohne Pedanterie zu sagen] Indem N. Schopenhauers Schreib-
weise auf diese Weise charakterisiert, folgt er zugleich dessen Stilideal. Im Ka-
pitel 23 „Ueber Schriftstellerei und Stil" der Parerga und Paralipomena II be-
zeichnet Schopenhauer den Stil als „die Physiognomie des Geistes" (PP II,
lian) als auch zeitgenössische Rhetorik-Lehrbücher von Richard Volkmann, die
er für seine eigenen Rhetorik-Vorlesungen an der Universität Basel nutzte,
nämlich Hermagoras oder Elemente der Rhetorik (1865) und Die Rhetorik der
Griechen und Römer in systematischer Übersicht (1872). - Zu den rhetorischen
Strategien, mit denen N. in UB II HL Pathos erzeugen wollte, gehört der Rück-
griff auf eine Vielzahl von rhetorischen Figuren (vgl. in UB II HL z. B. KSA 1,
252, 34 - 253, 9 sowie KSA 1, 277-278). Mit auffallender Häufigkeit verwendet
N. insbesondere Wiederholungs-, Häufungs-, Erweiterungs- und Steigerungsfi-
guren (Iteratio, Accumulatio, Amplificatio und Anaphern) sowie ausdrucks-
starke Metaphern. Vgl. dazu exemplarisch NK 1/2, 294-298.
347, 25 höfische Anmuth der guten französischen Schriftsteller] Hier kontrastiert
N. bereits Eleganz und Esprit der Franzosen mit dem „Schwer- und Tiefsinn"
der Deutschen (391). Diese Opposition vertieft er im 6. Kapitel von UB III SE,
um sie dann ganz auf Kosten der Franzosen zu radikalisieren. Der Wechsel von
neutraler zu pejorativer Charakterisierung klingt in dem Verb „verschmähen"
(347, 26) bereits an, wenn N. die Ansicht vertritt, dass „Schopenhauer's rauhe
und ein wenig bärenmässige Seele die Geschmeidigkeit und höfische Anmuth
der guten französischen Schriftsteller nicht sowohl vermissen als verschmä-
hen" lehre (347, 23-26). Anschließend polemisiert er dann sogar gegen Imitati-
onsversuche deutscher Autoren, die sich auf das „nachgemachte gleichsam
übersilberte Scheinfranzosenthum [...] so viel zu Gute thun" (347, 27-28). Damit
schließt N. tendenziell auch an literarische Debatten der Sturm-und-Drang-
Epoche an: So wendete sich etwa Jakob Michael Reinhold Lenz 1774 in seiner
dramentheoretischen Schrift Anmerkungen übers Theater dezidiert gegen die
Normen der Aristotelischen Poetik und gegen die Autoren des französischen
Klassizismus, die sich strikt an den Prinzipien der Poetik orientierten; im Sturm
und Drang avancierte Shakespeare nicht nur für Lenz, sondern auch für Goethe
zum paradigmatischen Vorbild. - Zu den Kontroversen der Realisten und Idea-
listen (Goethe, Lenz, Büchner versus Aristoteles, Winckelmann, Schiller) vgl.
Neymeyr 2012a, 198-220.
347, 29-30 Schopenhauers Ausdruck erinnert mich hier und da ein wenig an
Goethe, sonst aber überhaupt nicht an deutsche Muster.] Eine aufschlussreiche
Variante hierzu bietet die Reinschrift, die als Vorlage des Druckmanuskripts
fungierte: „an die Engländer mehr als an irgend welche" (KSA 14, 75).
347, 31-32 das Tiefsinnige einfach, das Ergreifende ohne Rhetorik, das Streng-
Wissenschaftliche ohne Pedanterie zu sagen] Indem N. Schopenhauers Schreib-
weise auf diese Weise charakterisiert, folgt er zugleich dessen Stilideal. Im Ka-
pitel 23 „Ueber Schriftstellerei und Stil" der Parerga und Paralipomena II be-
zeichnet Schopenhauer den Stil als „die Physiognomie des Geistes" (PP II,