Stellenkommentar UB III SE 3, KSA 1, S. 358 117
Selbstbekenntnis N.s zu lesen und seine verengende Lektüre dann polemisch
gegen N. selbst zu wenden: „Nietzsche sieht sich nicht im Stande produktiv
zu sein, wie sein Ideal es von ihm fordert. Er hat nicht komponiert wie die
großen Komponisten und nicht gedichtet wie Goethe, Schiller, Beethoven
oder Wagner" (Holm 2016, 157). Holm beruft sich hier auf Overbeck (2011,
65 f.). Darüber hinaus reproduziert er sogar zustimmend die despektierliche
Meinung des Dirigenten Wilhelm Furtwängler, der über N. folgendermaßen
spekuliert: „Nietzsches Erfolg liegt darin, daß er, selbst im tiefsten unproduk-
tiv, damit Schicksalsgenosse aller Unproduktiven wurde. Er hatte auf der ei-
nen Seite die Forderungen des Produktiven, auf der anderen aber nichts, um
sie zu rechtfertigen, nichts, womit er sich selbst und der Zeit entfliehen konn-
te. So blieb er der Zeit ausgeliefert wie kein anderer und mußte leiden wie
kein anderer. Das ist seine Größe, seine Art von Größe" (Furtwängler 1996,
217).
358, 4-8 Hier ist die Wurzel aller wahren Cultur; und wenn ich unter dieser die
Sehnsucht der Menschen verstehe, als Heiliger und als Genius wiedergeboren
zu werden, so weiss ich, dass man nicht erst Buddhaist sein muss, um diesen
Mythus zu verstehen.] Nach Christentum, Islam und Hinduismus ist der vor
allem in Asien sehr verbreitete Buddhismus die viertgrößte Weltreligion. Der
Ursprung der buddhistischen Lehrtradition und Religion liegt in Indien, und
etwa ein Viertel aller Buddhisten leben in China. Die Buddhisten berufen sich
auf die Lehren des Siddhartha Gautama, der im 5. und möglicherweise noch
im frühen 4. Jahrhundert v. Chr. in Nordindien lebte. Zur Abgrenzung von
mythischen Buddha-Gestalten, die nicht durch geschichtliche Dokumente be-
zeugt sind, wird er als ,historischer Buddha' bezeichnet. - Der Ehrentitel ,Bud-
dha' bedeutet im Sanskrit ,Erwachter' und bezieht sich auf ein Erlebnis, das
als Bodhi (,Erwachen') beschrieben wird. Nach der Lehre des Buddhismus ist
damit eine fundamentale Einsicht in die Grundbedingungen allen Lebens ge-
meint, aus der sich die Möglichkeit ergibt, das leidvolle Dasein zu überwinden.
Eine Erlösung von dem existentiellen Leiden, das aus dem Lebenswillen des
Individuums resultiert, wird nach Auffassung der Buddhisten durch ethisch
wertvolles Verhalten möglich, das auf der intuitiven Erkenntnis eigener frühe-
rer Wiedergeburten durch meditative Verinnerlichung basiere. Erforderlich sei
dazu ein mittlerer Weg zwischen den beiden Extremen Askese und Hedonis-
mus. Charakteristisch für die Existenzform des Heiligen sei die Auslöschung
des ,Willens' im Nirwana, im Nichts, so dass dann nur noch die äußere irdische
Existenz bis zum physischen Tod andauere. (Zu den Affinitäten zwischen
Schopenhauer und N. hinsichtlich des Nihilismus vgl. Lütkehaus 2012, 301-
316. Zum Spannungsfeld zwischen Askese und Hedonismus in der Schopen-
hauer- und N.-Rezeption Thomas Manns vgl. Neymeyr 2020.) - Schopenhauer
Selbstbekenntnis N.s zu lesen und seine verengende Lektüre dann polemisch
gegen N. selbst zu wenden: „Nietzsche sieht sich nicht im Stande produktiv
zu sein, wie sein Ideal es von ihm fordert. Er hat nicht komponiert wie die
großen Komponisten und nicht gedichtet wie Goethe, Schiller, Beethoven
oder Wagner" (Holm 2016, 157). Holm beruft sich hier auf Overbeck (2011,
65 f.). Darüber hinaus reproduziert er sogar zustimmend die despektierliche
Meinung des Dirigenten Wilhelm Furtwängler, der über N. folgendermaßen
spekuliert: „Nietzsches Erfolg liegt darin, daß er, selbst im tiefsten unproduk-
tiv, damit Schicksalsgenosse aller Unproduktiven wurde. Er hatte auf der ei-
nen Seite die Forderungen des Produktiven, auf der anderen aber nichts, um
sie zu rechtfertigen, nichts, womit er sich selbst und der Zeit entfliehen konn-
te. So blieb er der Zeit ausgeliefert wie kein anderer und mußte leiden wie
kein anderer. Das ist seine Größe, seine Art von Größe" (Furtwängler 1996,
217).
358, 4-8 Hier ist die Wurzel aller wahren Cultur; und wenn ich unter dieser die
Sehnsucht der Menschen verstehe, als Heiliger und als Genius wiedergeboren
zu werden, so weiss ich, dass man nicht erst Buddhaist sein muss, um diesen
Mythus zu verstehen.] Nach Christentum, Islam und Hinduismus ist der vor
allem in Asien sehr verbreitete Buddhismus die viertgrößte Weltreligion. Der
Ursprung der buddhistischen Lehrtradition und Religion liegt in Indien, und
etwa ein Viertel aller Buddhisten leben in China. Die Buddhisten berufen sich
auf die Lehren des Siddhartha Gautama, der im 5. und möglicherweise noch
im frühen 4. Jahrhundert v. Chr. in Nordindien lebte. Zur Abgrenzung von
mythischen Buddha-Gestalten, die nicht durch geschichtliche Dokumente be-
zeugt sind, wird er als ,historischer Buddha' bezeichnet. - Der Ehrentitel ,Bud-
dha' bedeutet im Sanskrit ,Erwachter' und bezieht sich auf ein Erlebnis, das
als Bodhi (,Erwachen') beschrieben wird. Nach der Lehre des Buddhismus ist
damit eine fundamentale Einsicht in die Grundbedingungen allen Lebens ge-
meint, aus der sich die Möglichkeit ergibt, das leidvolle Dasein zu überwinden.
Eine Erlösung von dem existentiellen Leiden, das aus dem Lebenswillen des
Individuums resultiert, wird nach Auffassung der Buddhisten durch ethisch
wertvolles Verhalten möglich, das auf der intuitiven Erkenntnis eigener frühe-
rer Wiedergeburten durch meditative Verinnerlichung basiere. Erforderlich sei
dazu ein mittlerer Weg zwischen den beiden Extremen Askese und Hedonis-
mus. Charakteristisch für die Existenzform des Heiligen sei die Auslöschung
des ,Willens' im Nirwana, im Nichts, so dass dann nur noch die äußere irdische
Existenz bis zum physischen Tod andauere. (Zu den Affinitäten zwischen
Schopenhauer und N. hinsichtlich des Nihilismus vgl. Lütkehaus 2012, 301-
316. Zum Spannungsfeld zwischen Askese und Hedonismus in der Schopen-
hauer- und N.-Rezeption Thomas Manns vgl. Neymeyr 2020.) - Schopenhauer