264 Schopenhauer als Erzieher
414, 14-15 wie Plato zeitweilig Hofphilosoph war, ohne die Würde der Philoso-
phie zu erniedrigen] Platon (428/427-348/347 v. Chr.) versuchte in Syrakus auf
Sizilien beim Tyrannen Dionysios I. und später bei dessen Sohn Dionysios II.
vorübergehend als „Hofphilosoph" zu wirken, scheiterte dabei allerdings mit
seinen Bemühungen, in Syrakus das Konzept einer idealen Polis zu realisieren.
Alle drei Sizilienreisen, die Platon um 388 v. Chr. sowie 366 und 361 v. Chr.
unternahm, erwiesen sich insofern als Fehlschläge und endeten für ihn proble-
matisch. Schon auf seiner ersten Sizilienreise um 388 v. Chr. machte Platon
negative Erfahrungen mit dem Tyrannen Dionysios I. und seiner Herrscherper-
sönlichkeit. Nach dessen Tod 366 v. Chr. folgte Platon mit Skepsis der Einla-
dung, die ihm Dionysios II., sein Sohn und Nachfolger, übermittelt hatte. Pla-
tons Hoffnungen, auf den Tyrannen positiven Einfluss ausüben und ihn zur
Mäßigung motivieren zu können, zerschlugen sich, weil dieser primär am Er-
halt seiner Herrschaft interessiert war und sich für Konzepte einer philosophi-
schen Lebensführung ebenso unzugänglich zeigte wie für Impulse zu einer um-
fassenden Staatsreform. Nachdem Platons Freund Dion im Zusammenhang mit
dem Umsturz in Syrakus von 357 v. Chr. im Jahre 354 v. Chr. ermordet worden
war, verfasste Platon seinen Siebten Brief, mit dem er dem sozialen Umfeld
Dions sein Verhalten erläuterte.
414, 15-19 Aber schon Kant war, wie wir Gelehrte zu sein pflegen, rücksichtsvoll,
unterwürfig und, in seinem Verhalten gegen den Staat, ohne Grösse: so dass er
jedenfalls, wenn die Universitätsphilosophie einmal angeklagt werden sollte, sie
nicht rechtfertigen könnte.] In UB III SE äußert sich N. noch in anderen Textpas-
sagen (vgl. 351, 6-10 und 409, 30-34) kritisch über das Verhalten Kants, das er
als devote Anpassung an Vorgaben staatlicher Instanzen sowie als Beispiel für
eine bloße „Professorenphilosophie" (351, 9-10) betrachtet und mit dem vor-
bildlichen Nonkonformismus Schopenhauers kontrastiert (vgl. 351, 6-13). Zur
Problematik von N.s Behauptungen über Kant vgl. auch NK 351, 6-7. - Dass
sich in den Prämissen der obigen Bewertung die Gelehrtenkritik prolongiert,
die Schopenhauer in seiner Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie entfaltet,
zeigt N.s Auffassung: „Ein Gelehrter kann nie ein Philosoph werden; denn
selbst Kant vermochte es nicht, sondern blieb bis zum Ende trotz dem einge-
bornen Drange seines Genius in einem gleichsam verpuppten Zustande" (409,
29-33). Bezeichnenderweise vergrößert N. die Reichweite seines problemati-
schen Verdikts gegen Kant noch, indem er es auch an diejenigen adressiert,
die seine Kant-Kritik mit Skepsis quittieren: „Wer da glaubt, dass ich mit die-
sem Worte Kanten Unrecht thue, weiss nicht, was ein Philosoph ist, nämlich
nicht nur ein grosser Denker, sondern auch ein wirklicher Mensch; und wann
wäre je aus einem Gelehrten ein wirklicher Mensch geworden?" (409, 33 - 410,
2). Analog zu Thesen, die Schopenhauer in seiner Schrift Ueber die Universi-
414, 14-15 wie Plato zeitweilig Hofphilosoph war, ohne die Würde der Philoso-
phie zu erniedrigen] Platon (428/427-348/347 v. Chr.) versuchte in Syrakus auf
Sizilien beim Tyrannen Dionysios I. und später bei dessen Sohn Dionysios II.
vorübergehend als „Hofphilosoph" zu wirken, scheiterte dabei allerdings mit
seinen Bemühungen, in Syrakus das Konzept einer idealen Polis zu realisieren.
Alle drei Sizilienreisen, die Platon um 388 v. Chr. sowie 366 und 361 v. Chr.
unternahm, erwiesen sich insofern als Fehlschläge und endeten für ihn proble-
matisch. Schon auf seiner ersten Sizilienreise um 388 v. Chr. machte Platon
negative Erfahrungen mit dem Tyrannen Dionysios I. und seiner Herrscherper-
sönlichkeit. Nach dessen Tod 366 v. Chr. folgte Platon mit Skepsis der Einla-
dung, die ihm Dionysios II., sein Sohn und Nachfolger, übermittelt hatte. Pla-
tons Hoffnungen, auf den Tyrannen positiven Einfluss ausüben und ihn zur
Mäßigung motivieren zu können, zerschlugen sich, weil dieser primär am Er-
halt seiner Herrschaft interessiert war und sich für Konzepte einer philosophi-
schen Lebensführung ebenso unzugänglich zeigte wie für Impulse zu einer um-
fassenden Staatsreform. Nachdem Platons Freund Dion im Zusammenhang mit
dem Umsturz in Syrakus von 357 v. Chr. im Jahre 354 v. Chr. ermordet worden
war, verfasste Platon seinen Siebten Brief, mit dem er dem sozialen Umfeld
Dions sein Verhalten erläuterte.
414, 15-19 Aber schon Kant war, wie wir Gelehrte zu sein pflegen, rücksichtsvoll,
unterwürfig und, in seinem Verhalten gegen den Staat, ohne Grösse: so dass er
jedenfalls, wenn die Universitätsphilosophie einmal angeklagt werden sollte, sie
nicht rechtfertigen könnte.] In UB III SE äußert sich N. noch in anderen Textpas-
sagen (vgl. 351, 6-10 und 409, 30-34) kritisch über das Verhalten Kants, das er
als devote Anpassung an Vorgaben staatlicher Instanzen sowie als Beispiel für
eine bloße „Professorenphilosophie" (351, 9-10) betrachtet und mit dem vor-
bildlichen Nonkonformismus Schopenhauers kontrastiert (vgl. 351, 6-13). Zur
Problematik von N.s Behauptungen über Kant vgl. auch NK 351, 6-7. - Dass
sich in den Prämissen der obigen Bewertung die Gelehrtenkritik prolongiert,
die Schopenhauer in seiner Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie entfaltet,
zeigt N.s Auffassung: „Ein Gelehrter kann nie ein Philosoph werden; denn
selbst Kant vermochte es nicht, sondern blieb bis zum Ende trotz dem einge-
bornen Drange seines Genius in einem gleichsam verpuppten Zustande" (409,
29-33). Bezeichnenderweise vergrößert N. die Reichweite seines problemati-
schen Verdikts gegen Kant noch, indem er es auch an diejenigen adressiert,
die seine Kant-Kritik mit Skepsis quittieren: „Wer da glaubt, dass ich mit die-
sem Worte Kanten Unrecht thue, weiss nicht, was ein Philosoph ist, nämlich
nicht nur ein grosser Denker, sondern auch ein wirklicher Mensch; und wann
wäre je aus einem Gelehrten ein wirklicher Mensch geworden?" (409, 33 - 410,
2). Analog zu Thesen, die Schopenhauer in seiner Schrift Ueber die Universi-