Metadaten

Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0426
License: In Copyright
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Stellenkommentar UB IV WB 3, KSA 1, S. 440-441 399

dings sah er sich auch aus privaten, politischen und ökonomischen Gründen
dazu genötigt, seinen Wohnort zu ändern. Die Konsequenzen aus der langjäh-
rigen Erfahrung heimatlosen Umherirrens zog Wagner, indem er sich durch die
Bayreuther Festspiele eine eigene Institution schuf, in der er seine künstleri-
schen Vorstellungen realisieren konnte. Zu Wagners häufigen Ortswechseln
vgl. auch NK 440, 18-19, NK 440, 29-32 und NK 499, 24.
440, 29-32 So wechselte Wagner Städte, Gefährten, Länder, und man begreift
kaum, unter was für Anmuthungen und Umgebungen er es doch immer eine Zeit
lang ausgehalten hat] Jahrelang führte Wagner ein unstetes Leben mit wech-
selnden Wohnsitzen und profitierte zeitweilig von finanziellen Zuwendungen
vermögender Gönner. Seine Anstellung als Musikdirektor am Theater in Kö-
nigsberg endete, als dieses Theater wenig später Konkurs anmelden musste.
Nach seiner Tätigkeit als Kapellmeister am Theater in Riga flüchtete Wagner
nach London, um seinen Gläubigern zu entgehen. Auch der anschließende Pa-
ris-Aufenthalt brachte ihm keine nachhaltige Verbesserung seiner ökonomi-
schen Situation. Aufgrund seiner finanziellen Misere sah sich Wagner dazu
genötigt, verschiedene Auftragsarbeiten anzunehmen. Die Jahre in Dresden,
wo er 1843 eine Anstellung als Hofkapellmeister gefunden hatte, endeten mit
Wagners Flucht in die Schweiz, weil er aufgrund seiner Beteiligung an den
Dresdner Aufständen im Mai 1849 steckbrieflich gesucht wurde. Von 1864 an
fungierte König Ludwig II. von Bayern schließlich als der entscheidende Mäzen
für Wagner: Er befreite ihn von seinen ökonomischen Engpässen, beglich seine
Schulden und verschaffte ihm die erforderlichen finanziellen Mittel, um einen
festen Wohnsitz zu etablieren, die Bayreuther Festspiele zu begründen und
einen luxuriösen Lebensstil zu pflegen. Zu Wagners unsteter Existenz vgl. auch
NK 440, 18-19, NK 440, 25-27 und NK 499, 24.
441, 4-6 ein plötzlicher Tod erschien dann vor seinen Blicken nicht als Schreck-
niss, sondern als verlockendes liebreizendes Gespenst] Vgl. dazu Richard Wag-
ners Text Eine Mittheilung an meine Freunde (1851): „[...] Nie ward mir der
scheußliche Zwang, mit dem ein unzerreißbarer Zusammenhang unserer mo-
dernen Kunst- und Lebenszustände ein freies Herz sich unterjocht und zum
schlechten Menschen macht, klarer, als in jener Zeit. War hier für den Einzel-
nen ein anderer Ausweg zu finden, - als der Tod?" (GSD IV, 304).
441, 9-19 Aber in der Art, wie er es that, lag fast immer eine Maasslosigkeit
[...]. Mit dem Gegensätze seines Begehrens und seines gewöhnlichen Halb- oder
Unvermögens, es zu befriedigen, wurde er wie mit Stacheln gequält, durch das
fortwährende Entbehren aufgereizt, verlor sich seine Vorstellung in's Ausschwei-
fende [...]. Das Leben ward immer verwickelter; aber auch immer kühner, erfin-
dungsreicher waren die Mittel und Auswege, die er, der Dramatiker, entdeckte]
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften