Stellenkommentar Erstes Buch, KSA 3, S. 44 125
der Natur auf ihre Zweckmäßigkeit und auf einen zu einem nützlichen „End-
zweck" (45, 7) hin wirkenden „Ursprung" (44, 28 f.): auf Gott. Die rhetorische
Frage „Hat man nicht selbst in der Astronomie die (angebliche) Nützlichkeit
[...] für den Endzweck [...] ausgegeben?" (45, 2-8) bezieht sich auf ein Werk
von Richard Anthony Proctor (1877): Unser Standpunkt im Weltall. Dort heißt
es: „Man betrachtete es früher als die Aufgabe der Wissenschaft, uns in einer
allgemein verständlichen Weise die Weisheit und das Wohlwollen des göttli-
chen Wesens [...] zu vergegenwärtigen [...]. Das galt für alle Zweige der Wissen-
schaft, aber in der Astronomie wurde dieses Verfahren häufiger als in allen
anderen Fällen beobachtet [...]. Beispielsweise schloss Brewster aus dem schö-
nen Anblick, welchen Jupiter gewährt, aus der gewaltigen Ausdehnung seiner
Bahn und der symmetrischen Anordnung der um den Planeten kreisenden Kör-
per, daß Jupiter unzweifelhaft zur Wohnstätte lebender Wesen bestimmt sei,
und in seinem Eifer, die Tauglichkeit des Planeten für diesen Zweck darzuthun,
vergaß er, die seiner Theorie ungünstigen Verhältnisse zu berücksichtigen,
nämlich die geringe Zufuhr von Sonnenwärme bei der großen Entfernung des
Jupiters, die geringe Dichte des Planeten, die dichte ihn umgebende Atmo-
sphäre und die Anzeichen von Zerstörungen, welche auf einen intensiven Wär-
megrad der Masse des Planeten deuten. Ja mit der löblichen Absicht, das Wohl-
wollen des Allmächtigen zu Gunsten dieses riesenhaften Planeten des Son-
nensystems darzuthun, schrieb Brewster den vier den Jupiter umgebenden
Satelliten die Aufgabe zu, den Jupiter mit der nöthigen Zufuhr von reflectirtem
Lichte zu versehen und vergaß dabei, daß selbst dann, wenn alle vier Traban-
ten gleichzeitig voll wären, was nie möglich ist, der Planet nur ein Sechzehntel
der Lichtmenge erhält, welche wir von unserem einzigen Monde zur Zeit des
Vollmondes erhalten. Viele andere ähnliche Fälle lassen sich aus den Schriften
anderer Autoren anführen, welche die verlockende Ansicht verfochten, daß
alle Himmelskörper dazu geschaffen seien, lebenden Wesen als Wohnort zu
dienen oder das Leben auf anderen Himmelskörpern zu unterstützen" (Proctor
1877, 24 f.; Nachweis: Orsucci 1996, 161 f.).
Schon im 17. Jahrhundert hatte Spinoza mit seiner Kritik an der Annahme
einer zum „Nutzen" hin organisierten „causa finalis" derartige Vorstellungen
widerlegt. Er argumentierte, dass es sich um eine nicht angemessene Übertra-
gung menschlichen Zweckdenkens auf die Natur handle, die keine Zwecke
kenne. Spinoza wandte sich gegen diejenigen, „die alles in der Natur als Mittel
zu ihrem Nutzen betrachten und glauben, es sei jemand anderer, der diese
Mittel zu ihrem Nutzen geschaffen habe" („omnia naturalia tanquam ad suum
utile media considerent [...] hinc causam credendi habuerunt, aliquem alium
esse, qui illa media in eorum usum paraverit"; Ethica, Pars prima, Propositio
XXXVI, Appendix). Und er kommt zu dem Ergebnis, „die Natur habe keinen
der Natur auf ihre Zweckmäßigkeit und auf einen zu einem nützlichen „End-
zweck" (45, 7) hin wirkenden „Ursprung" (44, 28 f.): auf Gott. Die rhetorische
Frage „Hat man nicht selbst in der Astronomie die (angebliche) Nützlichkeit
[...] für den Endzweck [...] ausgegeben?" (45, 2-8) bezieht sich auf ein Werk
von Richard Anthony Proctor (1877): Unser Standpunkt im Weltall. Dort heißt
es: „Man betrachtete es früher als die Aufgabe der Wissenschaft, uns in einer
allgemein verständlichen Weise die Weisheit und das Wohlwollen des göttli-
chen Wesens [...] zu vergegenwärtigen [...]. Das galt für alle Zweige der Wissen-
schaft, aber in der Astronomie wurde dieses Verfahren häufiger als in allen
anderen Fällen beobachtet [...]. Beispielsweise schloss Brewster aus dem schö-
nen Anblick, welchen Jupiter gewährt, aus der gewaltigen Ausdehnung seiner
Bahn und der symmetrischen Anordnung der um den Planeten kreisenden Kör-
per, daß Jupiter unzweifelhaft zur Wohnstätte lebender Wesen bestimmt sei,
und in seinem Eifer, die Tauglichkeit des Planeten für diesen Zweck darzuthun,
vergaß er, die seiner Theorie ungünstigen Verhältnisse zu berücksichtigen,
nämlich die geringe Zufuhr von Sonnenwärme bei der großen Entfernung des
Jupiters, die geringe Dichte des Planeten, die dichte ihn umgebende Atmo-
sphäre und die Anzeichen von Zerstörungen, welche auf einen intensiven Wär-
megrad der Masse des Planeten deuten. Ja mit der löblichen Absicht, das Wohl-
wollen des Allmächtigen zu Gunsten dieses riesenhaften Planeten des Son-
nensystems darzuthun, schrieb Brewster den vier den Jupiter umgebenden
Satelliten die Aufgabe zu, den Jupiter mit der nöthigen Zufuhr von reflectirtem
Lichte zu versehen und vergaß dabei, daß selbst dann, wenn alle vier Traban-
ten gleichzeitig voll wären, was nie möglich ist, der Planet nur ein Sechzehntel
der Lichtmenge erhält, welche wir von unserem einzigen Monde zur Zeit des
Vollmondes erhalten. Viele andere ähnliche Fälle lassen sich aus den Schriften
anderer Autoren anführen, welche die verlockende Ansicht verfochten, daß
alle Himmelskörper dazu geschaffen seien, lebenden Wesen als Wohnort zu
dienen oder das Leben auf anderen Himmelskörpern zu unterstützen" (Proctor
1877, 24 f.; Nachweis: Orsucci 1996, 161 f.).
Schon im 17. Jahrhundert hatte Spinoza mit seiner Kritik an der Annahme
einer zum „Nutzen" hin organisierten „causa finalis" derartige Vorstellungen
widerlegt. Er argumentierte, dass es sich um eine nicht angemessene Übertra-
gung menschlichen Zweckdenkens auf die Natur handle, die keine Zwecke
kenne. Spinoza wandte sich gegen diejenigen, „die alles in der Natur als Mittel
zu ihrem Nutzen betrachten und glauben, es sei jemand anderer, der diese
Mittel zu ihrem Nutzen geschaffen habe" („omnia naturalia tanquam ad suum
utile media considerent [...] hinc causam credendi habuerunt, aliquem alium
esse, qui illa media in eorum usum paraverit"; Ethica, Pars prima, Propositio
XXXVI, Appendix). Und er kommt zu dem Ergebnis, „die Natur habe keinen