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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0146
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Stellenkommentar Erstes Buch, KSA 3, S. 46 131

Fähigkeit, den Unglücklichen hinzuhalten, galt die Hoffnung bei den Griechen
als Übel der Übel, als das eigentlich tückische Übel: es blieb im Fass des
Übels zurück" (KSA 6, 190, 24-27; vgl. NK 6/2, 190, 19-27).
46, 15-20 Die Juden haben den Zorn anders empfunden, als wir, und ihn heilig
gesprochen [...] sie haben ihren zornigen heiligen Jehovah nach ihren zornigen
heiligen Propheten gebildet.] Im Alten Testament ist oft vom Zorn Gottes die
Rede, so im Pentateuch (den fünf Büchern Mose), um die sittlichen Gebote, die
Rechtsordnung und die Riten mit der stärksten Strafandrohung zu bewehren
oder um die Integrität der monotheistischen jüdischen Religion gegen heidni-
sche polytheistische Einflüsse zu schützen. Auch die Propheten, unter ihnen
besonders Jesaja, rufen ihr „Wehe!" über das Volk Israel entweder aus, um mit
der Beschwörung von Gottes Zorn sittliches und religiöses Fehlverhalten mit
der denkbar stärksten Sanktion zu bedrohen oder - wie dann auch manche
Psalmen - um den übermächtigen Feinden Israels, denen das jüdische Volk
oft preisgegeben war, die Vernichtung durch Gott anzudrohen und damit das
Elend der Gegenwart kompensatorisch auszugleichen. Noch andere Funktio-
nen kommen der Vorstellung vom „Zorn Gottes" zu. Sie kann dazu dienen,
Gottes Allmacht zu betonen, der nichts zu widerstehen vermag (Hiob 9, 5-6:
„Er versetzt Berge, ehe sie es innewerden, die er in seinem Zorn umkehrt. / Er
bewegt die Erde aus ihrem Ort, daß ihre Pfeiler zittern").
Einige Beispiele für den „Zorn Gottes" als Strafandrohung für die Missach-
tung sittlicher Gebote und der Rechtsordnung: 2. Mose 20-23: „Die Fremdlinge
sollst du nicht schinden noch unterdrücken; denn ihr seid auch Fremdlinge in
Ägyptenland gewesen. / Ihr sollt keine Witwen und Waisen bedrängen. / Wirst
du sie bedrängen, so werden sie zu mir schreien, und ich werde ihr Schreien
erhören; / So wird mein Zorn ergrimmen". Ein Beispiel für die Heraufbeschwö-
rung von Gottes Zorn, um die Integrität des jüdischen Monotheismus und des
mosaischen Gesetzes zu wahren, ist die Geschichte vom Goldenen Kalb. Wäh-
rend Mose eine Zeitlang abwesend ist, um auf dem Berge Sinai Gottes Gebote
entgegenzunehmen, will sich das Volk Israel dem (von den Tiergöttern der
Ägypter abgeleiteten) Götzendienst hingeben. Dagegen beginnen die zehn Ge-
bote, mit denen Mose vom Berg Sinai zum Volke zurückkehrt, mit der Ver-
pflichtung auf den Monotheismus (2. Mose 20, 2-3). Nach Moses Rückkehr
spricht Gott zu ihm: „Sie sind schnell von dem Wege abgetreten, den ich ihnen
geboten habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und haben's ange-
betet und ihm geopfert und gesagt: Das sind deine Götter, Israel, die dich aus
Ägyptenland geführt haben. / Und der Herr sprach zu Mose: Ich sehe, daß es
ein halsstarriges Volk ist. / Und nun laß mich, daß mein Zorn über sie ergrim-
me und sie vertilge [...] Mose aber flehte zu dem Herrn, seinem Gott: Ach Herr,
warum will dein Zorn ergrimmen über dein Volk, das du mit großer Kraft und
 
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