142 Morgenröthe
sen Vorstellungen transportiert haben. Daran hat immer auch die Sprache mit
ihren „Worten" Anteil.
48
53, 21 f. „Erkenne dich selbst" ist die ganze Wissenschaft.] Am
Apollon-Tempel in Delphi, dem Sitz des berühmtesten griechischen Orakels,
befand sich diese Inschrift (γνώθι σαυτόν), die Chilon von Sparta, einem der
Sieben Weisen, zugeschrieben wurde.
49
53, 26 f. Das neue Grundgefühl: unsere endgültige Vergänglich-
keit.] Der frühere Glaube an die „göttliche Abkunft" (54, 2) des Menschen,
der sich in der Formel „homo imago dei" - „der Mensch ist ein Bild Gottes" -
ausprägte (nach 1. Mose 1, 27: „Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde,
zum Bilde Gottes schuf er ihn") war obsolet geworden, besonders seit Darwin
seine biologische Abstammungslehre entwickelt hatte, auf die N. mit dem Hin-
weis auf „Affen" anspielt. Mit der entgegengesetzten „Richtung", die nicht in
die Vergangenheit und zum Ursprung führt, sondern auf utopische Zukunfts-
vorstellungen gerichtet ist, denkt N. an die aus Wagners anarchistischer und
revolutionärer Phase resultierenden Visionen einer idealen Zukunft. Wagner
hatte sie in der Schlusspartie seiner theoretischen Hauptschrift Oper und Dra-
ma exponiert und N. schlägt das Thema „Zukunft" im Hinblick auf „Menschen
der Zukunft" in der Schlusspartie von UB IV: Richard Wagner in Bayreuth an.
Im vorliegenden Text sind auch die zeitgenössischen sozialrevolutionären Vor-
stellungen von einer solchen „Zukunft" gemeint. N. lehnt sie trotz seiner oft
wiederholten Beschwörungen von „Zukunft" und entsprechender „Hoffnun-
gen" in seinem ganzen Werk entschieden ab, weil er keine Verbesserung der
gesellschaftlichen Verhältnisse bewirken will, sondern im Gegenteil das große
Individuum über alles stellt und einem entschiedenen Aristokratismus huldigt.
Deshalb lehnt er auch jedwede Form liberaler Humanitätsvorstellungen ab. Da-
rauf zielt in diesem Kontext das Zitat „nihil humani a me alienum puto" -
„Nichts Menschliches achte ich mir fremd". Es stammt aus der Komödie Heau-
tontimoroumenos („Der Selbstquäler") des römischen Dichters Terenz. Da N.
derartige Humanitätsvorstellungen als einen Weg zum vollständigen Nieder-
gang wertet, ist von der „Graburne des letzten Menschen und Todtengrä-
bers" die Rede, auf der diese Aufschrift stehe. Auch im Zarathustra imaginiert
N. den „letzten Menschen", und zwar als Gegenbild zum Übermenschen (KSA
sen Vorstellungen transportiert haben. Daran hat immer auch die Sprache mit
ihren „Worten" Anteil.
48
53, 21 f. „Erkenne dich selbst" ist die ganze Wissenschaft.] Am
Apollon-Tempel in Delphi, dem Sitz des berühmtesten griechischen Orakels,
befand sich diese Inschrift (γνώθι σαυτόν), die Chilon von Sparta, einem der
Sieben Weisen, zugeschrieben wurde.
49
53, 26 f. Das neue Grundgefühl: unsere endgültige Vergänglich-
keit.] Der frühere Glaube an die „göttliche Abkunft" (54, 2) des Menschen,
der sich in der Formel „homo imago dei" - „der Mensch ist ein Bild Gottes" -
ausprägte (nach 1. Mose 1, 27: „Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde,
zum Bilde Gottes schuf er ihn") war obsolet geworden, besonders seit Darwin
seine biologische Abstammungslehre entwickelt hatte, auf die N. mit dem Hin-
weis auf „Affen" anspielt. Mit der entgegengesetzten „Richtung", die nicht in
die Vergangenheit und zum Ursprung führt, sondern auf utopische Zukunfts-
vorstellungen gerichtet ist, denkt N. an die aus Wagners anarchistischer und
revolutionärer Phase resultierenden Visionen einer idealen Zukunft. Wagner
hatte sie in der Schlusspartie seiner theoretischen Hauptschrift Oper und Dra-
ma exponiert und N. schlägt das Thema „Zukunft" im Hinblick auf „Menschen
der Zukunft" in der Schlusspartie von UB IV: Richard Wagner in Bayreuth an.
Im vorliegenden Text sind auch die zeitgenössischen sozialrevolutionären Vor-
stellungen von einer solchen „Zukunft" gemeint. N. lehnt sie trotz seiner oft
wiederholten Beschwörungen von „Zukunft" und entsprechender „Hoffnun-
gen" in seinem ganzen Werk entschieden ab, weil er keine Verbesserung der
gesellschaftlichen Verhältnisse bewirken will, sondern im Gegenteil das große
Individuum über alles stellt und einem entschiedenen Aristokratismus huldigt.
Deshalb lehnt er auch jedwede Form liberaler Humanitätsvorstellungen ab. Da-
rauf zielt in diesem Kontext das Zitat „nihil humani a me alienum puto" -
„Nichts Menschliches achte ich mir fremd". Es stammt aus der Komödie Heau-
tontimoroumenos („Der Selbstquäler") des römischen Dichters Terenz. Da N.
derartige Humanitätsvorstellungen als einen Weg zum vollständigen Nieder-
gang wertet, ist von der „Graburne des letzten Menschen und Todtengrä-
bers" die Rede, auf der diese Aufschrift stehe. Auch im Zarathustra imaginiert
N. den „letzten Menschen", und zwar als Gegenbild zum Übermenschen (KSA