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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0217
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202 Morgenröthe

and in a lesser degree with those under nature - were due to chance. This, of
course is a wholly incorrect expression, but it serves to acknoledge plainly our
ignorance of the cause of each particular Variation." Die deutsche Übersetzung
von Heinrich Georg Bronn ist die zeitgenössisch maßgebende. Sie folgte der
zweiten englischen Auflage von 1860 im Abstand von nur wenigen Monaten
und wirkte in Deutschland auf Jahre hinaus außerordentlich. Nicht zuletzt
wirkte diese Übersetzung durch die von Bronn beigefügte umfangreiche eigene
Auseinandersetzung mit Darwins Theorie, deren Bedeutung er nicht abstreitet,
aber doch mit manchen Zweifeln konfrontiert. Schon Bronns Übersetzung von
Darwins Titelbegriffen ist problematisch. Darwin spricht von der Erhaltung der
begünstigten Rassen, Bronn aber von der Erhaltung der vervollkommneten Ras-
sen. Für Bronn hat die Natur ein Ziel: die ,Vervollkommnung'; bei Darwin gibt
es evolutionäre Fortschritte nur aufgrund von Selektionsvorteilen.
Bezeichnenderweise hielt Bronn infolge seiner religiösen Überzeugungen
an der Konstanz der Arten fest, die der biblischen Erzählung zufolge von Gott
geschaffen wurden. In der Genesis heißt es, dass Gott alle Wesen schuf, und
zwar „jedes in seiner Art", mit Ausnahme des Menschen, den er nach seinem
„eigenen Bilde" gestaltete, damit vor allen anderen Wesen privilegierte und
zugleich diese ihm untertan machte. Ebenso bezeichnend ist es, dass er Dar-
wins Aussage über den Menschen wegließ: „Light will be thrown on the origin
of man and his history" (Darwin 1859, 488). Auch verstand er den von N. so
favorisierten „Zufall" nicht, wie Darwin selbst, als eigentlich „unrichtigen Aus-
druck", sondern insistierte in seinem Appendix darauf, dass „jeder neue weitre
Fortschritt nach des Vfs. Theorie selbst jedesmal nur ein Zufall ist und erst
durch Vererbung festgehalten werden kann" (Darwin 1860, 513). Wie meistens
auch in anderen Bereichen zog N. nicht die primären Quellen heran, sondern
verließ sich auf sekundäre, ζ. Τ. populärwissenschaftliche Darstellungen und
,darwinistische' Perspektivierungen. Die wichtigsten zeitgenössischen Darstel-
lungen Darwins und des Darwinismus fand N. in der Zeitschrift ,Das Ausland',
die auch über den enormen Widerhall in den Universitäten berichtete.
123
116, 2 Vernunft.] Zur Problematik des „Zufalls" (116, 3 f.) im Hinblick auf
Darwin vgl. NK M 122.

124
116, 6 Was ist Wollen!] Im übergreifenden Horizont der Morgenröthe ist
das Problem des freien Willens, ein traditionelles Hauptthema der Ethik, von
 
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