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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0224
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Stellenkommentar Zweites Buch, KSA 3, S. 122 209

chard Förster: Der Raub und die Rückkehr der Persephone in ihrer Bedeutung
für die Mythologie-, Litteratur- und Kunst-Geschichte dargestellt (1874).
131
122, 24 Die moralischen Moden.] Dieser Text steht im Horizont der
schon bisher geführten Auseinandersetzung mit dem Altruismus als dem von
N. abgelehnten Maßstab für ,moralisches' Verhalten. Zugleich ergibt sich die
Brücke zur folgenden Sequenz, die dem „Mitleid" gilt (Μ 132-147). Ausgehend
von La Rochefoucaulds Entlarvungen egoistischer (nicht ,moralischer') Motive
des nur scheinbar altruistischen (,moralischen') Verhaltens der Menschen, gibt
N. gerade umgekehrt dem Ich den Vorzug, dem „ego", von dem er auch hier
wieder spricht (122, 30). Er wandte sich gegen den in der christlichen Moral
verankerten Altruismus, als dessen besonderen Ausdruck er im Folgenden das
von Rousseau und Schopenhauer zur Grundlage der Moral erhobene Mitleid
problematisiert. Immer wieder beruft er sich in diesem Zusammenhang auf die
Stoiker, die im Rahmen ihrer generellen Forderung nach Unterdrückung der
Affekte das Mitleid als einen schwächenden, weil die eigene Seelenruhe ge-
fährdenden Affekt ablehnten.
Epiktet, den N. jetzt als Repräsentanten der Stoa wählt, war unter den rö-
mischen Stoikern, zu denen auch Seneca und Kaiser Marc Aurel zählen, auf-
grund seiner Lebensumstände - er lebte lange als besitz- und rechtloser Skla-
ve - eine Ausnahmefigur. (N. hatte in seiner persönlichen Bibliothek folgende
deutsche Übersetzung des sog. ,Encheiridion': Epiktets Handbuch. Aus dem
Griechischen. Mit erläuternden Anmerkungen. Von Gottlieb Christian Karl Link
(1783); ferner eine französische Übersetzung: Les maximes d'Epictete philoso-
phe stoicien. Traduites par Dacier, mises dans un nouvel ordre et precedees d'un
coup d'oeil sur la Philosophie des Grecs par Hippolyte Tampucci (1870). Wichtig
für N.s Rezeption ist aber vor allem: Simplikios 1867. Moderne Editionen: Epic-
tetus 1967. Die maßgebende Edition stammt von Heinrich Schenkl in der Biblio-
theca Teubneriana, Leipzig 1916). Zentral war für Epiktet das Anliegen einer
von allem Äußeren möglichst unabhängigen Lebenshaltung: dazu traf er die
Unterscheidung (Dihairesis) zwischen den ,Adiaphora', den von ihm als unwe-
sentlich erklärten äußeren Lebensgütern, und einer geistig-seelischen inneren
Welt, in der die wesentlichen Werte liegen. Diese ,Unterscheidung' führte zu
einer klaren ,Entscheidung'. Auf ihr beruhte auch, wenngleich in metaphysisch
begründeter Radikalisierung und ohne den Anspruch auf Autarkie, die christli-
che Asketik und das Mönchtum, das sich bis in das Mittelalter hinein gerne
auf die von seinem Schüler Arrian überlieferten Diatriben (dissertationes) Epik-
tets, und vor allem auf die vereinfachende Darstellung in seinem Encheiridion
 
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