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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0282
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Stellenkommentar Drittes Buch, KSA 3, S. 165 267

ihr Vermögen daran setzen; das sind Leute, welche diesen Weg, welchen Ihr
einschlagen wollt, kennen, und die von einem Uebel geheilt sind, von dem Ihr
befreit zu werden wünschet. Folgt der Art und Weise, mit der sie anfingen: sie
handelten ganz, als ob [!] sie glaubten, sie nahmen das Weihwasser, ließen
Messen lesen u. s. w. Dieses wird Euch natürlich zum Glauben führen, zu dieser
Weisheit, welche Thorheit ist vor der Welt. - Aber das eben ist es, was ich
fürchte. - Und warum? Was habt ihr zu verlieren? / Aber um Euch zu zeigen,
daß dieses der rechte Weg ist, dürft Ihr nur betrachten, daß er Euch die Leiden-
schaften benimmt, die Eure Hauptfeinde sind [...] die Gewohnheit bildet unsere
Natur: wer sich an den Glauben gewöhnt, glaubt und muß nothwendig die
Hölle fürchten; und er glaubt nichts Anderes." (Pascal 1865, Theil 2, 139 f.)
Den letzten Satz hat N. dreifach angestrichen (Nachweis: Brusotti 1997, 201 f.,
Anm. 378).
An zweiter Stelle nennt N. Fenelon, dessen hohe erzählerische Qualität
und elegante, zugleich ausgewogene Ausdrucksweise er meint, wenn er von
der „goldenen Mitte" (165, 23) als dem hier verwirklichten klassischen Stilideal
spricht. Frangois de Salignac de la Mothe (1651-1715) war Erzbischof von Cam-
brai und Erzieher im französischen Königshaus. Sein bekanntestes Werk, das
N. auch in seiner persönlichen Bibliothek besaß, ist der 1694-96 entstandene
Bildungsroman Telemaque (aus den 404 Seiten der alten Ausgabe von 1805
sind mehr als 100 herausgerissen, es lässt sich nicht feststellen, ob die relativ
wenigen Lesespuren auf den Vorbesitzer zurückgehen, vgl. Campioni, 514): ein
Text, der dem Muster des spätantiken Abenteuerromans folgt (Heliodors Aithi-
opikä) und als Fortsetzung des vierten Buchs von Homers Odyssee angelegt
ist - der ursprüngliche Titel lautet: Suite du quatrieme livre de l'Odyssee d'Ho-
mere, ou les aventures de Telemaque, fils d'Ulysse. Sowohl die erzählerisch reiz-
volle und pädagogisch geschickte Einbettung des Bildungsprogramms in einen
Abenteuerroman als auch die Gestaltung von seelischen Vorgängen machten
den Telemaque im 18. Jahrhundert zu einer beliebten Lektüre. Aber die für den
Dauphin (Kronprinzen) gedachte vorbildhafte Darstellung eines weisen Herr-
schers, der für das Wohl des Volkes seine absolutistische Macht gesetzlich ein-
schränkt, zog Fenelon die Ungnade Ludwigs XIV. zu, nachdem er schon seit
1688 als Anhänger der Mme de Guyon und ihres Quietismus in Auseinanderset-
zungen mit dem einflussreichen Bischof Bossuet geraten war. Von den deut-
schen Übersetzungen des Telemaque erschienen mehrere noch in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts, ein Zeichen seiner fortdauernden Beliebtheit.
Die anschließende Würdigung der „Frau von Guyon" wie auch schon die
vorausgehende Pascals und Fenelons, später noch diejenige des von der gro-
ßen religiösen Reformbewegung des Jansenismus geprägten Klosters Port Ro-
yal - all dies lässt erkennen, dass N. in dieser Sphäre einen Schwerpunkt setz-
 
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