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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0312
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Stellenkommentar Viertes Buch, KSA 3, S. 190-193 297

schon in Μ 113 traktiert (vgl. NK hierzu). Μ 221 nimmt das Thema des Opfers
noch einmal auf.

216
192, 24 Die Bösen und die Musik.] Dieser Text spielt auf die zum geflü-
gelten Wort gewordenen Zeilen aus Johann Gottfried Seumes Gedicht „Die Ge-
sänge" an: „Wo man singet, laß dich ruhig nieder / [...] / Bösewichter haben
keine Lieder". N. dreht diese Behauptung provokativ um, indem er gerade den
„Bösen" eine besonders intensive Beziehung zur Musik attestiert. Allerdings
erscheint dabei das Musik-Erlebnis nur als „Mittel" (193, 8) einer rauschhaft
gesteigerten narzisstischen Selbstwahrnehmung. Insofern erscheint die „Lie-
be", von der am Anfang und am Ende die Rede ist, als Selbstliebe. Über diese
reflektiert N. in mehreren Texten, die der christlichen Kritik der Selbstliebe und
Selbstsucht widersprechen. Besonders begegnete er ihr in Pascals Pensees, die
den amour-propre und amour de soi verurteilen. In der Morgenröthe setzt er
sich mit Pascals Wertung mehrfach auseinander; vgl. Μ 63 und NK hierzu so-
wie NK Μ 91.
217
193, 14 Der Künstler.] Die nationalen Klischees, von denen her N. die Kunst
als ein der psychischen Kompensation dienendes Medium bestimmt, besagen,
dass die Deutschen nicht zur „Passion" fähig sind und diese deshalb im Kunst-
erlebnis lediglich erträumen. Dass die Italiener dagegen ein von Natur aus zur
Passion disponiertes Volk seien und nach dem gleichen Kompensationsschema
von ihren Passionen in der Kunst angeblich „ausruhen", lernte N. besonders
aus Stendhals Werken, die er während der Entstehungszeit der Morgenröthe
las. Die Franzosen allerdings werden nicht nach diesem Schema dargestellt;
als das für die gesellschaftliche Konversation besonders begabte Volk seien die
Franzosen am Künstler und an der Kunst hauptsächlich als einem Anlass zum
„Reden" interessiert.
218
193, 20 f. Mit seinen Schwächen als Künstler schalten.] Schon in
den beiden vorangehenden Texten sind Kunst und Künstlertum mit der Musik
verbunden, explizit in M 216, implizit in M 217. Wie in diesen beiden Texten
wendet N. auch hier ein kompensatorisches Schema an: Beethoven, Mozart
 
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