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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0318
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Stellenkommentar Viertes Buch, KSA 3, S. 198-201 303

Parteien ab - ebenso wie grundsätzlich die Demokratie, die er zu den von ihm
verachteten „modernen Ideen" zählte.
238
199, 23 Das Streben nach Anmuth.] Wie schon in anderen Texten ent-
wirft N. eine kompensatorische Verhaltenspsychologie: Die „starke" Natur stre-
be nach Anmut, die „schwache" nach Charakter und einer „Art Stärke". Mit
dem Begriff der Anmut greift N. modifizierend eine der zentralen Kategorien
der ästhetisch-ethischen Debatten um 1800 auf (vgl. etwa Schillers Schrift Über
Anmut und Würde von 1793).
239
200, 7 Wink für Moralisten.] „Die interessante Hässlichkeit", die
N. im ersten Satz „unseren Musikern" (lies: Wagner) zuschreibt, schließt an
die zeitgenössische ,Ästhetik des Hässlichen' an. N. bezieht sich auf sie in dem
der Neu-Ausgabe der Geburt der Tragödie vorangestellten „Versuch einer
Selbstkritik", der gleichzeitig (1886) mit der Neu-Ausgabe der Morgenröthe er-
schien. Zum gesamten zeitgenössischen Kontext der Ästhetik des Hässlichen
vgl. NK 1/1, 31-16, 5 f. Im vorliegenden Text versucht N. die Brücke von der
Musik zur Moral zu schlagen, indem er psychologisierend von den „Seelen un-
serer Musiker" (200, 23 f.) und von der „Verhässlichung der Seele" (200, 29)
spricht. In der Geburt der Tragödie, als er noch ganz im Banne Wagners stand,
hatte er umgekehrt sogar Disharmonie und Dissonanz im Gesamtkunstwerk als
notwendigen Kontrast zu der dann umso eindrucksvolleren Harmonie bejaht
(vgl. NK 1/1, 152, 1-16); jetzt dagegen ist es gerade der „Contrast" (200, 18), den
er als hässlich ablehnt, um dann seinerseits abschließend vom Ästhetischen
ins Moralische (daher der ironische „Wink für Moralisten") überzugehen:
„Ehemals musste der gute Musiker beinahe um seiner Kunst willen ein guter
Mensch werden -. Und jetzt!" (200, 30 f.)
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201, 2 Von der Moralität der Schaubühne.] N. spielt mit dieser Titel-
formulierung auf Schillers Schrift Die Schaubühne als eine moralische Anstalt
betrachtet an, aber nur um ein Gegenkonzept zu lancieren. Schiller hatte das
Theater als wesentlich lehrhaftes Beförderungsmittel der Aufklärung und der
moralischen Erziehung verstanden. N. dagegen sieht die „Moralität" der
 
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