Stellenkommentar Fünftes Buch, KSA 3, S. 319-321 437
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319, 15 „Selbstflucht".] Bei Byron, den N. in diesem Text als erstes Beispiel
für „Selbstflucht" nennt (319, 17), konnte er folgendes Geständnis finden:
„Mich selbst von mir selbst abzuziehen (o diese verfluchte Selbstsucht), war
immer meine einzige, meine ausschließliche, meine aufrichtige Veranlassung,
wenn ich überall schrieb" (Byron o. J., II, 49, vgl. die nähere Angabe im Kom-
mentar zu Μ 109). Die Berufung auf Pascal (319, 30) erinnert an dessen Proble-
matisierung von „Zerstreuungen" („divertissements") und an das von N. schon
vorher (319, 22 f.) kritisch behandelte Verlangen „nach [...] einem ,Ausser-
sich'". Pascal schreibt „Notre instinct nous fait sentir qu'il faut chercher notre
bonheur hors de nous. Nos passions nous poussent au dehors". Vgl. die biblio-
graphische Angabe zu Μ 91; in der französischen Ausgabe von Prosper Faugere
steht der zitierte Passus in Bd. II (Pascal 1844, Bd. 2, 94), in der deutschen
Übersetzung von C. F. Schwartz (1865), die N. in seiner persönlichen Bibliothek
besaß, auf Seite 79: „Unser Instinkt läßt uns fühlen, daß wir unser Glück außer
uns suchen müssen. Unsere Leidenschaften treiben uns außer uns" (Pascal
1865, 79).
Anders als Pascal mutmaßt N. allerdings, dass auch das „Aufgehen in
Gott" eine Form der Selbstflucht sein könnte (319, 24). Pascal sieht darin im
Gegenteil eine Form der Verinnerlichung und des Eigentlichwerdens. Er steht
in der augustinischen Tradition von Port Royal. In den Confessiones richtete
Augustinus ein ganzes Kapitel gegen die „curiositas": gegen die weltorientierte
„Neugier", die von der Ausrichtung des Geistes auf das Göttliche und auf das
Seelenheil nur ablenkt. Dies ist der Hintergrund von Pascals Begriff des „diver-
tissement". Schon in der Schrift De vera religione hatte Augustinus den Leitsatz
formuliert: „Noli foras ire, in te ipsum redi; in interiore homine habitat veritas"
(De vera religione XXXIX, 72, 202) - „Geh nicht nach außen, in dich selbst
kehre ein; im inneren Menschen wohnt die Wahrheit").
550
320, 6 Erkenntniss und Schönheit.] Hierzu ausführlich der Überblicks-
kommentar S. 61f.
551
321, 10 Von zukünftigen Tugenden.] Hierzu der Überblickskommentar
S. 62-64 sowie der Kommentar zu M 575. In MA II VM 99 entwirft N. unter der
Überschrift „Der Dichter als Wegweiser für die Zukunft" ein von
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319, 15 „Selbstflucht".] Bei Byron, den N. in diesem Text als erstes Beispiel
für „Selbstflucht" nennt (319, 17), konnte er folgendes Geständnis finden:
„Mich selbst von mir selbst abzuziehen (o diese verfluchte Selbstsucht), war
immer meine einzige, meine ausschließliche, meine aufrichtige Veranlassung,
wenn ich überall schrieb" (Byron o. J., II, 49, vgl. die nähere Angabe im Kom-
mentar zu Μ 109). Die Berufung auf Pascal (319, 30) erinnert an dessen Proble-
matisierung von „Zerstreuungen" („divertissements") und an das von N. schon
vorher (319, 22 f.) kritisch behandelte Verlangen „nach [...] einem ,Ausser-
sich'". Pascal schreibt „Notre instinct nous fait sentir qu'il faut chercher notre
bonheur hors de nous. Nos passions nous poussent au dehors". Vgl. die biblio-
graphische Angabe zu Μ 91; in der französischen Ausgabe von Prosper Faugere
steht der zitierte Passus in Bd. II (Pascal 1844, Bd. 2, 94), in der deutschen
Übersetzung von C. F. Schwartz (1865), die N. in seiner persönlichen Bibliothek
besaß, auf Seite 79: „Unser Instinkt läßt uns fühlen, daß wir unser Glück außer
uns suchen müssen. Unsere Leidenschaften treiben uns außer uns" (Pascal
1865, 79).
Anders als Pascal mutmaßt N. allerdings, dass auch das „Aufgehen in
Gott" eine Form der Selbstflucht sein könnte (319, 24). Pascal sieht darin im
Gegenteil eine Form der Verinnerlichung und des Eigentlichwerdens. Er steht
in der augustinischen Tradition von Port Royal. In den Confessiones richtete
Augustinus ein ganzes Kapitel gegen die „curiositas": gegen die weltorientierte
„Neugier", die von der Ausrichtung des Geistes auf das Göttliche und auf das
Seelenheil nur ablenkt. Dies ist der Hintergrund von Pascals Begriff des „diver-
tissement". Schon in der Schrift De vera religione hatte Augustinus den Leitsatz
formuliert: „Noli foras ire, in te ipsum redi; in interiore homine habitat veritas"
(De vera religione XXXIX, 72, 202) - „Geh nicht nach außen, in dich selbst
kehre ein; im inneren Menschen wohnt die Wahrheit").
550
320, 6 Erkenntniss und Schönheit.] Hierzu ausführlich der Überblicks-
kommentar S. 61f.
551
321, 10 Von zukünftigen Tugenden.] Hierzu der Überblickskommentar
S. 62-64 sowie der Kommentar zu M 575. In MA II VM 99 entwirft N. unter der
Überschrift „Der Dichter als Wegweiser für die Zukunft" ein von