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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0487
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472 Idyllen aus Messina

sehen Spannungsverhältnis stehen: N. spricht von einem „ununterbrochene[n]
artige[n] Krieg" zwischen beiden (KSA 3, 447, 24).
Dass N. in FW 92 die „Meister der Prosa" in solche einteilt, die ihre habitu-
elle Neigung zu lyrischer Produktion entweder „öffentlich" oder aber „im Ge-
heimen" kultivieren, ist ebenfalls mit Blick auf seine eigene Lyrik bemerkens-
wert, gehört er selbst doch in beide Gruppen - allerdings noch etwas mehr in
die der ,Kammer-Poeten'. Denn neben den zwei selbständigen Gedichtzyklen
(IM und DD) sowie den zahlreichen im Kontext der philosophischen Hauptwer-
ke veröffentlichten Gedichten gibt es noch eine dritte Gruppe von lyrischen
Texten N.s, die zahlenmäßig sogar den deutlich größeren Hauptanteil seiner
Lyrik ausmacht: die in Briefen, vor allem aber im sonstigen Nachlass enthalte-
nen Gedichte, Gedichtentwürfe und verschiedenen Gedichtfassungen, die bis
ins Jahr 1854 zurückreichen. Bereits 1858, mit 14 Jahren also, stellt N. in der
autobiographischen Skizze Aus meinem Leben, wo er nicht weniger als drei
„Perioden" seiner bisherigen Lyrik unterscheidet, ein 46 Titel umfassendes
„Verzeichniß meiner Gedichte" seit 1855 zusammen (KGW 1/1, 307, 31), fügt je-
doch gleich hinzu, dass es sich dabei „nicht [um] die einzigen" handle, son-
dern bloß um eine „Auswahl", die neuere Produktionen enthalte, „aber auch
von den älteren mehrere, deren ich mich wohl noch erinnere, sie jedoch nicht
mehr besitze" (KGW 1/1, 309, 18-20). Möglicherweise hatte der jugendliche
Dichter bereits einige seiner früheren Werke selbst vernichtet. Einen ausdrück-
lichen Hinweis auf ein (weiteres?) Autodafe gibt es später (1867), als der 23-
Jährige, der im Oktober 1865 zum Studium nach Leipzig gekommen war, be-
richtet: „ich pflegte die Zeit der Selbsterkenntnis von da an bei einem Jünglinge
zu datieren, wo er seine Dichtungen in den Ofen steckt, und habe es selbst
dieser meiner Anschauung gemäß in Leipzig gemacht. Friede auch dieser
Asche!" (KGW 1/4, 516, 28-31) Viele von N.s Jugendgedichten sind demnach
verloren, gleichwohl liegen aus der Zeit bis 1869 noch zahlreiche Gedichte vor:
Anhand der Verzeichnisse der Gedichtanfänge in BAW 1-3 ergibt sich eine Zahl
von 263 „Dichtungen", allerdings sind darunter auch Übersetzungen und vers-
dramatische Entwürfe; in KGW I/1-4, wo es keine separaten Verzeichnisse der
Gedichte gibt, lassen sich insgesamt 293 zählen; die Differenz resultiert haupt-
sächlich aus anders gezogenen Textgrenzen. Bei aller Vorsicht, mit der diese
Zahlen also zu genießen sind, wird aus ihnen doch in jedem Fall die erstaunli-
che Produktivität des jugendlichen Lyrikers N. ersichtlich.
Diese lyrische Produktivität brach auch später nicht ab, obzwar in den
1870er Jahren, die dafür mehr der lyriktheoretischen Reflexion gewidmet wa-
ren, deutlich weniger Gedichte entstanden als in der Jugendzeit und dann spä-
ter wieder in den 80er Jahren. Was N. - selbständig oder im Kontext seiner
Prosaschriften - publizierte, bildet jedenfalls lediglich die Spitze des Eisbergs.
 
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