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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0493
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478 Idyllen aus Messina

entsprechenden Wandel dieser drei Formen einhergeht (vgl. hierzu bereits Pütz
1967, 51-56): Während die Jugendlyrik Ende der 1850er, Anfang der 60er Jahre
zum großen Teil noch recht konventionell, ja epigonal - abgesehen von weni-
gen originelleren Texten wie dem 1864 entstandenen Gedicht Dem unbekann-
ten Gott / Noch einmal eh ich weiter ziehe ... (vgl. KGW 1/3, 391) - den volkstüm-
lichen' Ton früher Goethe'scher und vor allem romantischer Lieddichtung ä la
Eichendorff oder Lenau nachahmt, wendet sich der ,mittlere' N. verstärkt der
spöttisch-zugespitzten Spruchdichtung zu, allerdings ohne die Lieddichtung
aufzugeben. Doch letztere entfernt sich merklich von der Imitation romanti-
scher Stimmungslyrik und weist nunmehr auch (selbst)ironische, satirische
und parodistische Merkmale auf. Parallel zu den oftmals bissigen Sinnsprü-
chen des „Vorspiels" zu FW, die N. bald als „weise Reime in altdeutscher Ma-
nier" (Brief an Franziska und Elisabeth Nietzsche, 1.4. 1882, KSA 6, Nr. 218,
S. 188, Z. 3 f.), bald als „Epigramme[ ] in Versen" (Brief an Ernst Schmeitzner,
8. 05. 1882, KSA 6, Nr. 224, S. 191, Z. 13 f.) bezeichnet, entstehen zahlreiche Tex-
te, die N. selbst als „Lieder" klassifizierte, darunter im Frühjahr 1882 der weit-
gehend liedhafte Zyklus IM. Das Nebeneinander von ,musikalischen' Liedern
und witzig-,boshaften' Sinnsprüchen reflektiert ein viel-, meist aber unvoll-
ständig zitiertes poetologisches Gedicht aus dieser Zeit auf ironische Weise un-
ter dem programmatischen Titel Lieder und Sinnsprüche (NL 1882, 19[13], KSA
9, 679, 1-11):
Takt als Anfang, Reim als Endung
und als Seele stets Musik:
solch ein göttliches Gequiek
nennt man Lied. Mit kürzrer Wendung,
Lied heißt: „Worte als Musik".
Sinnspruch hat ein neu Gebiet:
er kann spotten, schwärmen, springen,
niemals kann der Sinnspruch singen;
Sinnspruch heißt: „Sinn ohne Lied". -
Darf ich euch von Beidem bringen?

Mit diesem Gedicht, das seinerseits schon lied- und sinnspruchhafte Elemente
vereinigt, charakterisiert N. in der rhetorischen Frageform einer Leseranspra-
che die beiden Hauptgebiete seiner damaligen Lyrik und bringt deren Zusam-
 
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