484 Idyllen aus Messina
sehen Sinn. Eine Gemeinsamkeit von Bild und Gedicht, entsprechend der hora-
zischen Formel „ut pictura poesis", ergibt sich im Fall der lyrischen Gattung
,Idylle' allerdings, insofern für sie die statische ,Momentaufnahme' heiterer
Landschaft, der topische locus amoenus, konstitutiv ist: Schattige Haine, rie-
selnde Quellen und flötende Hirten gehören zur typischen Staffage solch idyl-
lischer' Landschaften, wie sie etwa noch Kants Beschreibung des „Schönen"
in seinen Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen von 1764
aufruft: „die Aussicht auf blumenreiche Wiesen, Thäler mit schlängelnden Bä-
chen, bedeckt von weidenden Heerden, die Beschreibung des Elysium" (Kant
1905, 208, AA V).
Mit den „Heerden" ist der eng angrenzende Bereich der Bukolik benannt,
der Hirten-Dichtung (βουκόλος = Rinder-Hirte), die aus den sizilischen Hirten-
gesängen hervorgegangen ist und oftmals fiktive Dialoge zwischen Hirten in
Hexameterform gestaltet. Während die Hirten-Gedichte Theokrits noch in den
,realen' altgriechischen Kolonien Süditalien und Sizilien spielen und das einfa-
che Landleben aus der Perspektive des gebildeten Städters durchaus ironisch-
distanziert darstellen, verlagern die römischen Autoren, die diese Dichtungsart
adaptieren, den Schauplatz in die utopisch-idealisierte Gegenwelt Arkadiens,
die den - bis auf Hesiod (8./7. Jh. v. Chr.) zurückgehenden - Mythos des Golde-
nen Zeitalters aufnimmt. Unter den römischen Idyllikern bzw. Bukolikern ragt
vor allem Vergil (70-19 v. Chr.) mit seinen zehn Eldogen (Bucolica) heraus. In
der Neuzeit ist es dann die von der Renaissance über das Barock bis hin zum
Rokoko weitverbreitete Schäferdichtung, die diese Tradition fortsetzt. An sie
schließt N. ebenfalls mit seinem Lied des Ziegenhirten an, allerdings gerade
im Rückgriff auf den ,authentischen' Ursprung idyllischer Hirten-Dichtung bei
Theokrit selbst.
Während die um 1740 sich formierende Strömung der Anakreontik, wie der
Name schon zeigt, sich primär auf den altgriechischen Lyriker Anakreon (6. Jh.
v. Chr.) berief und in scherzhaft-galanter Manier vor stilisierten Schäferkulissen
die Themen Liebe, Wein und Geselligkeit behandelte, setzt die deutsche Tradi-
tion der Idylle im gattungsmäßig engeren Sinn erst mit Salomon Gessners Idyl-
len (1756) ein, mit denen sich auch Goethe und Schiller kritisch beschäftigten.
Für Gessner, der selbst von der Landschaftszeichnung herkam, war die Nähe
zwischen malerischer und dichterischer Darstellung wesentlich für die Idylle,
die für ihn in erster Linie pittoreske Naturszenerien zu evozieren hatte. Im Hin-
blick auf N.s Verständnis der Idylle und des Idyllischen ist insbesondere Schil-
lers geschichtsphilosophisch aufgeladene Poetik der Idylle zu berücksichtigen,
wie sie in dessen großer poetologischer Abhandlung Über naive und sentimen-
talische Dichtung (1795/96) entfaltet wird. Da N. sich mit Schillers Idyllen-Theo-
rie intensiver auseinandergesetzt hat, sei sie wenigstens kurz skizziert. Schiller
sehen Sinn. Eine Gemeinsamkeit von Bild und Gedicht, entsprechend der hora-
zischen Formel „ut pictura poesis", ergibt sich im Fall der lyrischen Gattung
,Idylle' allerdings, insofern für sie die statische ,Momentaufnahme' heiterer
Landschaft, der topische locus amoenus, konstitutiv ist: Schattige Haine, rie-
selnde Quellen und flötende Hirten gehören zur typischen Staffage solch idyl-
lischer' Landschaften, wie sie etwa noch Kants Beschreibung des „Schönen"
in seinen Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen von 1764
aufruft: „die Aussicht auf blumenreiche Wiesen, Thäler mit schlängelnden Bä-
chen, bedeckt von weidenden Heerden, die Beschreibung des Elysium" (Kant
1905, 208, AA V).
Mit den „Heerden" ist der eng angrenzende Bereich der Bukolik benannt,
der Hirten-Dichtung (βουκόλος = Rinder-Hirte), die aus den sizilischen Hirten-
gesängen hervorgegangen ist und oftmals fiktive Dialoge zwischen Hirten in
Hexameterform gestaltet. Während die Hirten-Gedichte Theokrits noch in den
,realen' altgriechischen Kolonien Süditalien und Sizilien spielen und das einfa-
che Landleben aus der Perspektive des gebildeten Städters durchaus ironisch-
distanziert darstellen, verlagern die römischen Autoren, die diese Dichtungsart
adaptieren, den Schauplatz in die utopisch-idealisierte Gegenwelt Arkadiens,
die den - bis auf Hesiod (8./7. Jh. v. Chr.) zurückgehenden - Mythos des Golde-
nen Zeitalters aufnimmt. Unter den römischen Idyllikern bzw. Bukolikern ragt
vor allem Vergil (70-19 v. Chr.) mit seinen zehn Eldogen (Bucolica) heraus. In
der Neuzeit ist es dann die von der Renaissance über das Barock bis hin zum
Rokoko weitverbreitete Schäferdichtung, die diese Tradition fortsetzt. An sie
schließt N. ebenfalls mit seinem Lied des Ziegenhirten an, allerdings gerade
im Rückgriff auf den ,authentischen' Ursprung idyllischer Hirten-Dichtung bei
Theokrit selbst.
Während die um 1740 sich formierende Strömung der Anakreontik, wie der
Name schon zeigt, sich primär auf den altgriechischen Lyriker Anakreon (6. Jh.
v. Chr.) berief und in scherzhaft-galanter Manier vor stilisierten Schäferkulissen
die Themen Liebe, Wein und Geselligkeit behandelte, setzt die deutsche Tradi-
tion der Idylle im gattungsmäßig engeren Sinn erst mit Salomon Gessners Idyl-
len (1756) ein, mit denen sich auch Goethe und Schiller kritisch beschäftigten.
Für Gessner, der selbst von der Landschaftszeichnung herkam, war die Nähe
zwischen malerischer und dichterischer Darstellung wesentlich für die Idylle,
die für ihn in erster Linie pittoreske Naturszenerien zu evozieren hatte. Im Hin-
blick auf N.s Verständnis der Idylle und des Idyllischen ist insbesondere Schil-
lers geschichtsphilosophisch aufgeladene Poetik der Idylle zu berücksichtigen,
wie sie in dessen großer poetologischer Abhandlung Über naive und sentimen-
talische Dichtung (1795/96) entfaltet wird. Da N. sich mit Schillers Idyllen-Theo-
rie intensiver auseinandergesetzt hat, sei sie wenigstens kurz skizziert. Schiller