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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0508
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Überblickskommentar 493

Brigg, genannt „das Engelchen"; Die kleine Hexe und „Pia, caritatevole, amoro-
sissima"), eines aus der männlichen Perspektive (Lied des Ziegenhirteri). Dabei
tritt die Liebe hauptsächlich als unglückliche Liebe, als unerfüllte Liebessehn-
sucht in Erscheinung. So spricht das Mädchen in der lyrischen Narration der
Vorgeschichte der ,kleinen Brigg' „ein bitterböses Wörtchen" (337, 2) zu seinem
Geliebten, das dieser nicht zu verkraften vermag, und im Lied eines Ziegenhir-
ten wartet das lyrische Ich des Nachts vergeblich auf die Geliebte, die ihm doch
ihr Kommen versprochen hatte, so dass es die verzehrende Wirkung ungestill-
ten Liebesverlangens erleidet und klagt:
„Die Liebe zehrt an mir
Gleich sieben Uebeln -" (338, 17 f.)
In „Pia, caritatevole, amorosissima" geht es zwar nicht um den (weiblichen)
Liebesverrat wie in den beiden soeben genannten Gedichten, aber auch hier
verursacht die Liebe Leiden, insofern das apostrophierte Mädchen sich nicht
getraut, sie auszusprechen, obwohl das lyrische Ich in Form einer rhetorischen
Frage an die Angesprochene hervorhebt, dass ihre Liebe ganz sicher erwidert
worden wäre:
„Wer hat dein Herz betrübt?
Und liebtest du, wer hätte
Dich nicht genug geliebt? -" (341, 12-14)
Selbst in dem Gedicht Kleine Hexe, das auf den ersten Blick die erfüllte Liebe
zwischen dem so titulierten Mädchen und einem „art'gen Mönchlein" (339, 6)
zum Gegenstand hat, wird durch die wiederholte Formulierung „So lang noch
hübsch mein Leibchen" (339, 2 und 339, 30) die Vergänglichkeit der Liebe deut-
lich, welche endet, sobald das „hübsche Mädchen" (339, 27) ein „altes Wackel-
weibchen" (340, 2) geworden ist.
Damit ist das dritte, mit dem Liebes-Motiv eng verbundene Leitmotiv in IM
angesprochen: die Vergänglichkeit bzw. der Tod. Kommt im Lied eines Ziegen-
hirten nur im Konjunktiv eine - wohl nicht ganz ernstgemeinte - Todessehn-
sucht wegen des Ausbleibens der Geliebten zum Ausdruck, wenn das lyrische
Ich im Schlussvers verkündet: „Ich stürbe gerne." (338, 24), so wartet Die kleine
Brigg gleich mit zwei schon ,wirklich' geschehenen Todesfällen auf: zum einen
mit dem Tod des „Geliebteste[n]", der an dem „bitterbösen Wörtchen" seines
Mädchens „starb" (337, 4 f.); zum anderen mit dem Tod des Mädchens selbst,
das sich daraufhin - der den gesamten Gedichttext prägende Diminutiv zieht
hier freilich den tragischen Vorfall ins Lächerliche - „vom Klippchen" (337, 7)
 
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