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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0511
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496 Idyllen aus Messina

Aussagen) Volkstümlichkeit attestiert: „Man muß dem Volksliede nicht nach-
singen, sondern vorsingen können, um ein volksthümlicher Sänger zu sein.
Und das versteht Wagner, er ist volksthümlich in jeder Faser." (NL 1875, 11[25],
KSA 8, 213, 15-18) In UB IV: Richard Wagner in Bayreuth schreibt er hingegen
über Goethe: „selbst das Goethische Lied ist dem Volksliede nachgesungen,
nicht vorgesungen" (UB IV WB 10, KSA 1, 503, 22 f.).
Mit IM kommt N. implizit wieder auf seine alte, eigenwillige Gleichsetzung
von Volkslied und Idylle zurück, doch unter merklich veränderten Vorzeichen;
die Orientierung am „Volkslied wird zum poetischen Vehikel einer neuen An-
schauung des Idyllischen" (NLex 161), die das Tragische zwar nicht ganz aus-
schließt, aber wesentlich auch das Komische, ,Heitere' integriert. Denn nicht
nur sind auch N.s „Lieder" dem Volkslied allenfalls „nachgesungen", insofern
es sich um kunstvoll komponierte Gebilde handelt, die ,volkstümliche'
Schlichtheit bloß inszenieren; vielmehr stellen sie diesen Inszenierungscharak-
ter überdies auch oft mit komisierender Wirkungsabsicht aus. Zu der so insze-
nierten Volkstümlichkeit gehört auf formaler Ebene schon die ,einfache' syn-
taktische Struktur der „Lieder": Dominant ist ein parataktischer Satzbau, bei
dem die syntaktischen Grenzen oft mit den Versgrenzen zusammenfallen. Stro-
phenenjambements fehlen völlig, Zeilenenjambements gibt es nur wenige. In
all dem folgt N. Heines Buch der Lieder - wie bereits mit der Mischung von
sentimentalem Ernst und subversiver Ironie. Eine Ausnahme bildet in dieser
Hinsicht freilich Das nächtliche Geheimniss, dessen rätselhaft-tiefgründigem
Gehalt seine komplexere sprachliche Gestalt mit Hypotaxen, Enjambements
und Parenthesen korrespondiert.
Trotz des insgesamt überwiegenden scheinbar ,kunstlosen' Sprechens be-
dient sich N., dessen „Künstlerbegabung" von seinem Freund Franz Overbeck
später als eine primär „rhetorische" bezeichnet wurde (Overbeck 1999, 7/2, 31),
zahlreicher rhetorischer Stilmittel. So durchziehen den gesamten Zyklus Aus-
rufe, Apostrophen und (rhetorische) Fragen, die einerseits Unmittelbarkeit der
Empfindung suggerieren, andererseits aber auch durch witzige Pointierungen
ironische Distanz erzeugen. Ein Beispiel hierfür liefert das Lied des Ziegenhir-
ten, in dessen dritter Strophe das Rollen-Ich über das Ausbleiben seiner Gelieb-
ten klagt, die doch auf das Kreuzzeichen geschworen hatte zu kommen:
„Das Kreuz, als sie's versprach!
Wie konnte sie lügen?
Oder läuft sie Jedem nach,
Wie meine Ziegen?" (338, 5-8)
Vor allem weisen die acht Gedichte - wie viele andere Texte N.s auch - zahlrei-
che intensivierende und pointierende Wiederholungsfiguren auf. Besonders
 
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