Stellenkommentar Die kleine Hexe, KSA 3, S. 339 523
mässen 51, KSA 6, 153, 4), verfasste auf dieser Folie eines seiner Venezianischen
Epigramme: „Wundern kann es mich nicht daß unser Herr Christus mit (Hu-
ren» / Gern und mit Sündern gelebt geht mirs doch eben auch so." (Goethe
1990, 104, <83>)
339, 6 Er wird's dem art'gen Mönchlein / Gewisslich gern verzeihn] Hier nimmt
N. die christliche Zentralvorstellung von der „Vergebung der Sünden" durch
die Gnade Gottes auf. Das Vaterunser enthält die Bitte um solche Vergebung,
die darin zugleich von den Menschen untereinander gefordert wird: „Und ver-
gib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigem." (Mt. 6, 12)
Im 1. Brief des Johannes 2, 2 heißt es über Christus: „Und er ist die Versöhnung
für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der
ganzen Welt." Allerdings ist die Vergebung der Sünden im Christentum an die
Bedingung der Umkehr bzw. des Glaubens gebunden. So werden beispielswei-
se in der Apostelgeschichte 2, 38 die Worte Petri wiedergegeben: „Kehrt um
und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung
seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen."
Desgleichen heißt es in der Apostelgeschichte 13, 38 f.: „So sei euch nun kund-
getan, liebe Brüder, dass euch durch ihn Vergebung der Sünden verkündigt
wird; und in all dem, worin ihr durch das Gesetz des Mose nicht gerecht wer-
den konntet, ist der gerecht gemacht, der an ihn glaubt." Das lyrische Ich der
„kleinen Hexe" in N.s Gedicht redet dagegen nicht von derlei Bedingungen der
Sündenvergebung. Reue oder Umkehr erweisen sich in dieser Logik als unnö-
tig, da Gott/Christus - aufgrund seiner eigenen Liebe zu hübschen „Weib-
chen" - dem lüsternen „Mönchlein" ohnehin „gern verzeihn" wird.
339, 10 Kein grauer Kirchenvater!] Auf der direkten Aussagebene steht der
„graue Kirchenvater" lediglich als alter geistlicher Würdenträger im Kontrast
zum ,jungen' und ,roten' „Mönchlein", das sich nach der „kleinen Hexe" sehnt.
Darüber hinaus werden jedoch im engeren Sinne Autoren der frühchristlichen
Zeit, die maßgeblich zum theologischen Selbstverständnis des Christentums
beigetragen haben, als „Kirchenväter" bezeichnet. Zu den besonders wirkungs-
mächtigen Kirchenvätern zählen Clemens von Alexandria (ca. 150-215), Tertul-
lian (ca. 150-220), Origenes (ca. 185-254), Laktanz (ca. 250-320), Hieronymus
(347-420) und Augustinus (354-430). N. spielt mit dieser Doppeldeutigkeit.
339, 12 f. Oft gleich dem grausten Kater / Voll Eifersucht und Noth!] Erneute
Aufnahme des Eifersuchts-Themas, das bereits im Lied des Ziegenhirten vor-
kam: Trotz seiner Jugend kann auch der verliebte Mönch grau vor Kummer
erscheinen, wenn er nämlich eifersüchtig mit ansehen muss, wie seine Geliebte
mit so „manchem Mönchlein" (339, 8) flirtet. Statt „Voll Eifersucht und Noth"
hieß es in einer Vorstufe noch „Verliebt, ja, bis zum Tod" (KSA 14, 230).
mässen 51, KSA 6, 153, 4), verfasste auf dieser Folie eines seiner Venezianischen
Epigramme: „Wundern kann es mich nicht daß unser Herr Christus mit (Hu-
ren» / Gern und mit Sündern gelebt geht mirs doch eben auch so." (Goethe
1990, 104, <83>)
339, 6 Er wird's dem art'gen Mönchlein / Gewisslich gern verzeihn] Hier nimmt
N. die christliche Zentralvorstellung von der „Vergebung der Sünden" durch
die Gnade Gottes auf. Das Vaterunser enthält die Bitte um solche Vergebung,
die darin zugleich von den Menschen untereinander gefordert wird: „Und ver-
gib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigem." (Mt. 6, 12)
Im 1. Brief des Johannes 2, 2 heißt es über Christus: „Und er ist die Versöhnung
für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der
ganzen Welt." Allerdings ist die Vergebung der Sünden im Christentum an die
Bedingung der Umkehr bzw. des Glaubens gebunden. So werden beispielswei-
se in der Apostelgeschichte 2, 38 die Worte Petri wiedergegeben: „Kehrt um
und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung
seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen."
Desgleichen heißt es in der Apostelgeschichte 13, 38 f.: „So sei euch nun kund-
getan, liebe Brüder, dass euch durch ihn Vergebung der Sünden verkündigt
wird; und in all dem, worin ihr durch das Gesetz des Mose nicht gerecht wer-
den konntet, ist der gerecht gemacht, der an ihn glaubt." Das lyrische Ich der
„kleinen Hexe" in N.s Gedicht redet dagegen nicht von derlei Bedingungen der
Sündenvergebung. Reue oder Umkehr erweisen sich in dieser Logik als unnö-
tig, da Gott/Christus - aufgrund seiner eigenen Liebe zu hübschen „Weib-
chen" - dem lüsternen „Mönchlein" ohnehin „gern verzeihn" wird.
339, 10 Kein grauer Kirchenvater!] Auf der direkten Aussagebene steht der
„graue Kirchenvater" lediglich als alter geistlicher Würdenträger im Kontrast
zum ,jungen' und ,roten' „Mönchlein", das sich nach der „kleinen Hexe" sehnt.
Darüber hinaus werden jedoch im engeren Sinne Autoren der frühchristlichen
Zeit, die maßgeblich zum theologischen Selbstverständnis des Christentums
beigetragen haben, als „Kirchenväter" bezeichnet. Zu den besonders wirkungs-
mächtigen Kirchenvätern zählen Clemens von Alexandria (ca. 150-215), Tertul-
lian (ca. 150-220), Origenes (ca. 185-254), Laktanz (ca. 250-320), Hieronymus
(347-420) und Augustinus (354-430). N. spielt mit dieser Doppeldeutigkeit.
339, 12 f. Oft gleich dem grausten Kater / Voll Eifersucht und Noth!] Erneute
Aufnahme des Eifersuchts-Themas, das bereits im Lied des Ziegenhirten vor-
kam: Trotz seiner Jugend kann auch der verliebte Mönch grau vor Kummer
erscheinen, wenn er nämlich eifersüchtig mit ansehen muss, wie seine Geliebte
mit so „manchem Mönchlein" (339, 8) flirtet. Statt „Voll Eifersucht und Noth"
hieß es in einer Vorstufe noch „Verliebt, ja, bis zum Tod" (KSA 14, 230).