532 Idyllen aus Messina
341, 5 f. Dem Beides, Licht und Flamme, / Aus beiden Augen schaut] Spiel mit
der Doppeldeutigkeit des Wortes „amorosissima", das sowohl ,Geliebteste' wie
,Liebendste' heißen kann. N. unterscheidet auch sonst zwischen „Licht" (als
Wirkung) und „Flamme" (als Ursache), so etwa im parallel zu IM entstandenen
sinnspruchhaften „Vorspiel" zur Fröhlichen Wissenschaft, wo es unter dem Titel
„Ecce homo" heißt: „Licht wird Alles, was ich fasse, / [...] / Flamme bin
ich sicherlich." (FW Vorspiel 62, KSA 3, 367, 18-20) Im Sinne der zweifachen
Bedeutung von „amorosissima" ist die Doppelheit von Licht und Flamme im
vorliegenden Text speziell auf die Liebe zu beziehen: Einerseits schaut dem
angesprochenen Mädchen(-Bild) das „Licht" der ihm entgegengebrachten Lie-
be aus den Augen, andererseits die „Flamme" der von ihm selbst empfundenen
Liebe. Zum Motiv der Liebes-Flamme vgl. auch schon die dritte Strophe von
Die kleine Brigg, genannt „das Engelchen" und den Kommentar hierzu.
341, 11 Was riss so früh die Kette?] Mit dieser Frage, die zu Beginn der zweiten
Strophe eine Reihe von weiteren (rhetorischen) Fragen eröffnet, variiert N. die
mythische Vorstellung vom Lebens- oder Schicksalsfaden. In der griechischen
Mythologie sind es die drei Moiren Klotho, Lachesis und Atropos, in deren Hän-
den der Schicksalsfaden liegt: Klotho spinnt ihn, Lachesis begrenzt ihn, Atro-
pos schneidet ihn ab. In der römischen Mythologie entsprechen den Moiren
die Parzen, in der germanischen Mythologie die Nornen. Das Zerreißen der
Kette versinnbildlicht - analog zum Abschneiden des Fadens - den Tod. Das
Bild der Kette selbst spielt dabei zugleich auf die Vorstellung von der ,Gefan-
genschaft' im Leben an, die sich schon bei Platon findet (der Leib als Gefängnis
der Seele).
341, 13 f. Und liebtest du, wer hätte I Dich nicht genug geliebt?] Bezugnahme
auf die Doppelbedeutung von „amorosissima" als ,Liebendste' und ,Geliebtes-
te': Die rhetorische Frage zielt darauf, dass die hypothetisch vorausgesetzte
Liebe der Angesprochenen aufgrund ihrer Eigenschaft als „amorosissima" er-
widert worden wäre.
341, 15 f. Du schweigst - doch sind die Thränen I Den milden Augen nah] Dem -
notwendigen - Schweigen des steinernen Bildes auf die in den vorangehenden
Versen vom lyrischen Ich geäußerten Fragen steht in auffallendem Kontrast
die Feststellung gegenüber, dass die Augen den Tränen nahe seien. Es handelt
sich um eine imaginative Verlebendigung der Grabskulptur, die an den in
Ovids Metamorphosen (X, 243 ff.) erzählten Pygmalion-Mythos erinnert: Der
Bildhauer Pygmalion hatte demnach eine schöne Frauenstatue geschaffen, in
die er sich so sehr verliebte, dass er die Liebesgöttin Aphrodite anflehte, sie
möge ihm eine Frau schenken, die der Statue gleiche. Aphrodite erfüllte ihm
341, 5 f. Dem Beides, Licht und Flamme, / Aus beiden Augen schaut] Spiel mit
der Doppeldeutigkeit des Wortes „amorosissima", das sowohl ,Geliebteste' wie
,Liebendste' heißen kann. N. unterscheidet auch sonst zwischen „Licht" (als
Wirkung) und „Flamme" (als Ursache), so etwa im parallel zu IM entstandenen
sinnspruchhaften „Vorspiel" zur Fröhlichen Wissenschaft, wo es unter dem Titel
„Ecce homo" heißt: „Licht wird Alles, was ich fasse, / [...] / Flamme bin
ich sicherlich." (FW Vorspiel 62, KSA 3, 367, 18-20) Im Sinne der zweifachen
Bedeutung von „amorosissima" ist die Doppelheit von Licht und Flamme im
vorliegenden Text speziell auf die Liebe zu beziehen: Einerseits schaut dem
angesprochenen Mädchen(-Bild) das „Licht" der ihm entgegengebrachten Lie-
be aus den Augen, andererseits die „Flamme" der von ihm selbst empfundenen
Liebe. Zum Motiv der Liebes-Flamme vgl. auch schon die dritte Strophe von
Die kleine Brigg, genannt „das Engelchen" und den Kommentar hierzu.
341, 11 Was riss so früh die Kette?] Mit dieser Frage, die zu Beginn der zweiten
Strophe eine Reihe von weiteren (rhetorischen) Fragen eröffnet, variiert N. die
mythische Vorstellung vom Lebens- oder Schicksalsfaden. In der griechischen
Mythologie sind es die drei Moiren Klotho, Lachesis und Atropos, in deren Hän-
den der Schicksalsfaden liegt: Klotho spinnt ihn, Lachesis begrenzt ihn, Atro-
pos schneidet ihn ab. In der römischen Mythologie entsprechen den Moiren
die Parzen, in der germanischen Mythologie die Nornen. Das Zerreißen der
Kette versinnbildlicht - analog zum Abschneiden des Fadens - den Tod. Das
Bild der Kette selbst spielt dabei zugleich auf die Vorstellung von der ,Gefan-
genschaft' im Leben an, die sich schon bei Platon findet (der Leib als Gefängnis
der Seele).
341, 13 f. Und liebtest du, wer hätte I Dich nicht genug geliebt?] Bezugnahme
auf die Doppelbedeutung von „amorosissima" als ,Liebendste' und ,Geliebtes-
te': Die rhetorische Frage zielt darauf, dass die hypothetisch vorausgesetzte
Liebe der Angesprochenen aufgrund ihrer Eigenschaft als „amorosissima" er-
widert worden wäre.
341, 15 f. Du schweigst - doch sind die Thränen I Den milden Augen nah] Dem -
notwendigen - Schweigen des steinernen Bildes auf die in den vorangehenden
Versen vom lyrischen Ich geäußerten Fragen steht in auffallendem Kontrast
die Feststellung gegenüber, dass die Augen den Tränen nahe seien. Es handelt
sich um eine imaginative Verlebendigung der Grabskulptur, die an den in
Ovids Metamorphosen (X, 243 ff.) erzählten Pygmalion-Mythos erinnert: Der
Bildhauer Pygmalion hatte demnach eine schöne Frauenstatue geschaffen, in
die er sich so sehr verliebte, dass er die Liebesgöttin Aphrodite anflehte, sie
möge ihm eine Frau schenken, die der Statue gleiche. Aphrodite erfüllte ihm