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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0553
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538 Idyllen aus Messina

Höh und Ferne! / Wie würd' er sonst zu meinem Sterne? -" (FW Vorspiel 30,
KSA 3, 359, 25-27) Und „Ewigkeit" bedeutet bei ihm nicht transzendente Zeitlo-
sigkeit, sondern verweist auf den Gedanken der „ewigen Wiederkunft des Glei-
chen", der zum ersten Mal in FW 341 öffentlich ausgesprochen wird. Bereits in
einem Nachlass-Notat aus dem Jahr 1881 fordert N.: „Drücken wir das Abbild
der Ewigkeit auf unser Leben! Dieser Gedanke enthält mehr als alle Religio-
nen, welche dies Leben als ein flüchtiges verachten und nach einem unbe-
stimmten anderen Leben hinblicken lehrten." (NL 1881, 11[159], KSA 9, 503,
9-12) In einigen Texten aus der Entstehungszeit von IM nennt N. „Stern" und
„Ewigkeit" gleichfalls in einem Atemzug, so etwa in dem „Meiner lieben Lou"
gewidmeten Gedicht „Freundin - sprach Kolumbus ...", dessen zweite Strophe
lautet:
„Wen er [der ,Genueser' = N.] liebt, den lockt er gerne
Weit hinaus in Raum und Zeit —
über uns glänzt Stern bei Sterne,
Um uns braust die Ewigkeit." (Anfang November 1882, KSB 6/KGB III/1,
Nr. 321, S. 271, Z. 7-10)
342, 3 Mitleidig selbst dem Neid] Während N. sonst das - von Schopenhauer
zum Fundament der Moral erklärte - „Mitleid" als „Schwächung und Aufhe-
bung des Individuums" (Μ 132, KSA 3, 124, 25) attackiert, lässt er hier den
in höchsten Höhen schwebenden Vogel Albatros Mitleid empfinden, und zwar
selbst gegenüber denjenigen, die ihn für seinen Höhenflug beneiden. Aller-
dings handelt es sich dabei nicht um das Schopenhauer'sche Mitleid als prakti-
sche Aufhebung des principii individuationis, sondern eher um ein verächtli-
ches' Mitleid des souverän Herabschauenden als Reaktion auf den Neid. Die
Vorstellung vom Neid auf den Sicherhebenden, Fliegenden findet sich bei N.
öfter. So heißt es schon in M 574, KSA 3, 331, 2-4: „Je höher wir uns erheben,
um so kleiner erscheinen wir Denen, welche nicht fliegen können." Und im
Zarathustra präzisiert N. dieses Kleiner-Erscheinen als Wirkung des neidischen
Blicks: „Du gehst über sie hinaus: aber je höher du steigst, um so kleiner sieht
dich das Auge des Neides. Am meisten aber wird der Fliegende gehasst" (Zara-
thustra I, KSA 4, 81, 31-33). Vgl. hierzu auch NK M 514.
342, 4 Und hoch flog, wer ihn auch nur schweben sieht!] Der Albatros schwebt
so hoch, dass er in der Logik der Gedichtfiktion von der Erde aus schon gar
nicht mehr zu sehen ist. Nur von solchen, die ihrerseits hoch über den Dingen
fliegen, vermag er noch wahrgenommen zu werden. Zu ihnen zählt sich das
lyrische Ich. Hierin liegt abermals eine Anknüpfung an das erste Gedicht des
 
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