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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0732
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712 Jenseits von Gut und Böse

den Kaste.] In KGW IX 4, W I 5, 4, 10-14 heißt es stattdessen: „Doch an dieser
Stelle ziemt sich res meine Antisemiterer abzubrechen, denn ich rühre rbereits
an meinen Ernst, an das eigentliche'' mein ernstestes »europäische Problem4:
die Züchtung einer rwie ich es verstehe: das heißt: wie züchtet man eine'' neu-
en regierenden Kaste.“
252.
Es mag überraschen, wie sehr sich dieser Abschnitt die Vorurteile der deut-
schen Zeitgenossen gegenüber dem »perfiden Albion4 zueigen macht und ins-
besondere die britische Philosophie abwertet, um sich stattdessen im Brustton
der Überzeugung deutscher Philosophieverwaltungswissenschaftler, die sich
als Statthalter von Kant (195,11), Schelling (195,12) „Hegel und Schopenhauer“
(195,14) fühlen, über die mangelnde „Tiefe“ (195, 24) und „Macht der Geis-
tigkeit“ (195, 23) bei den Engländern zu beklagen. Dass ausgerechnet die bei
N. sonst so übel beleumundeten deutschen Idealisten, deren christliche Infek-
tion oft gegeißelt wird, als vertrauenswürdige Zeugen gegen „diese Engländer“
(195, 7) herhalten sollen, mutet sonderbar an, zumal sich (im Unterschied zu
den unten genannten Vorarbeiten) unter den hier aufgezählten Denkern gerade
nicht die Hauptvertreter einer allenfalls für typisch englisch geltenden Nütz-
lichkeitsphilosophie, nämlich Jeremy Bentham und John Stuart Mill befinden
(erst JGB 253 kommt auf Mill sowie auf Charles Darwin und Herbert Spencer
zu sprechen). Die Genannten waren als experimentelle, empiristisch-indukti-
vistische und skeptische Philosophen N. durchaus näher, als ihm lieb sein
konnte.
Vorarbeiten liefern KGW IX 1, N VII 1, 88, 18-38 u. 126, 30-44 sowie KGW
IX 4, W I 6, 64, 2-38 u. 65, 10-44 u. 67, 1-16. Zur Interpretation von JGB 252
vgl. auch Schank 2000, 125-127; zu N.s sekundärliterarisch erworbenen Kennt-
nissen der britischen Philosophie siehe Brobjer 2008a, 34-43.
195, 7f. Bacon bedeutet einen Angriff auf den philosophischen Geist über-
haupt] Der empiristische Philosoph Francis Bacon (1561-1626) fand in N.s Wer-
ken sonst wenig Beachtung, wird aber in EH Warum ich so klug bin 4 immer-
hin mit Shakespeare identifiziert und als dort ,,erste[r] Realist[..] in jedem gros-
sen Sinn des Wortes“ gewürdigt, vgl. NK KSA 6, 287, 1-26; zu N.s Bacon-
Kenntnissen Brobjer 2008a, 44 f.
195, 9-13 Hobbes, Hume und Locke eine Erniedrigung und Werth-Minderung des
Begriffs „Philosoph“ für mehr als ein Jahrhundert. Gegen Hume erhob und hob
sich Kant; Locke war es, von dem Schelling sagen durfte: „je meprise Locke“]
Den Wegbereitern des englischen Empirismus Thomas Hobbes (1588-1679),
 
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