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Überblickskommentar 29

dritte Abschnitt den Parsifal ins Treffen, wobei Wagners letztes Werk versuchs-
weise als Parodie angesprochen wird. GM III 4 stellt Wagners Fall als exem-
plarisch für das künstlerische Weltverhältnis insgesamt dar, das als Bestreben
erscheint, die Sphäre der Kunst zu verlassen und die außerkünstlerische Wirk-
lichkeit zu gestalten - ein oft genug scheiterndes Bestreben, das in Willens-
schwäche münde, die sich wiederum auf typische Weise im „Schopenhaue-
risch" und „nihilistisch" (344, 20 f.) gefärbten Parsifal manifestiere. GM III 5
resümiert im Blick auf die Bedeutung asketischer Ideale für Künstler, dass sie
für diese, je nachdem, vieles, aber auch nichts bedeuten, denn sie seien doch
stets die Lakaien dominanter Religionen oder Philosophien, angewiesen auf
deren Wegleitung. Erneut verkörpert Wagner, der sich Schopenhauers Philoso-
phie anverwandelt habe, dafür das charakteristische Beispiel. Gerade Schopen-
hauers Aufwertung der Kunst, insbesondere der Musik, sei Wagners Bedürfnis-
sen so sehr entgegenkommen, dass er die dahinterstehende Philosophie mit
ihrem pointierten Asketismus bereitwillig übernommen habe - auch dies sei
ein Beleg für die (geistige) Unselbständigkeit der Künstler im Allgemeinen. Ent-
sprechend verschiebt sich die Fragestellung dahingehend, was denn asketi-
sche Ideale für Philosophen bedeuten. GM III 6 behält den Fokus auf der Kunst-
theorie bei und bezieht Kant mit ein, gegen dessen Akzentuierung des Unper-
sönlichen und Interesselosen Stendhals Vorschlag eingebracht wird, Schönheit
als überaus interessiertes Glücksversprechen zu begreifen. Schopenhauer hin-
gegen habe sich von ästhetisch-kontemplativer Erfahrung eine Befreiung von
dem als Pein empfundenen Geschlechtstrieb erhofft. Seine ästhetische Theorie
gründe also auf einer persönlichen, von ihm verallgemeinerten Idiosynkrasie.
Statt den Willen stillzustellen, könnte das Schöne, so die in GM III 6 postulierte
Gegenthese, ihn vielmehr erregen und aufreizen. Schopenhauers Aversion ge-
gen alles Geschlechtliche stellt der siebte Abschnitt wiederum als Anreiz dar,
am so verächtlich gemachten Leben zu bleiben - ein individueller Befund, der
zu einer ersten allgemeinen Schlussfolgerung führt, wozu denn die asketischen
Ideale den Philosophen dienen - was sie ihnen bedeuten: Sie seien das Mittel,
die Bedingungen eines philosophischen Lebens zu optimieren, nämlich den
Philosophen Freiheit vor lebensweltlichen Bedrängnissen zu schaffen und zu-
gleich Schutz zu gewähren. Gemäß GM III 8 nimmt der Philosoph dann ent-
schieden seine eigenen Interessen wahr, wenn er die Sinnlichkeit ebenso an
der Kette hält wie Ehrgeiz und Geltungssucht: Wenn er sich in Armut, Demut
und Keuschheit übe, dann nicht, weil er die asketischen Ideale für einen
Selbstzweck halte, sondern vielmehr, weil er sie als taugliche Instrumente ein-
schätze, um das eigene Optimum als Denkwesen zu erreichen. Zuerst aber,
führt GM III 9 aus, hätten die ersten Philosophen eines äußeren Schutzes be-
durft, als sie sich in der Welt einrichten wollten, wobei ihnen das asketische
 
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