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36 Zur Genealogie der Moral

alen schließlich zu Schanden gemacht und überwältigt worden sind, als die
eigentlichen Werkzeuge zu betrachten seien, so tragen wir unsererseits nicht
das geringste Bedenken, diese Frage zu bejahen" (zitiert nach Reich 2013,
675 f.). Bemerkenswert ist die Parallele, die Michael Georg Conrad in seiner
Besprechung für die Monatsschrift Die Gesellschaft vom Dezember 1888 zieht:
„Angenommen, es handelte sich für dogmatisch gewöhnte Köpfe um die Fest-
stellung des Grundgedankens, auf welchen sich die zahlreichen Schriften
Nietzsches über Moral und Verwandtes aufbauen, so würde ein belesener Lit-
teratus von der kritischen Zunft vielleicht schnell mit dem Hinweise auf den
russischen Roman <Raskolnikow> bei der Hand sein und dem gläubigen Publi-
ko zurufen: ,Hier habt ihr Nietzsches Grundgedanken - Sklavenmoral, Herren-
moral - und zugleich die schöne praktische Nutzanwendung ä la Tartar! Lest
den <Raskolnikow!> / In der That hat Dostojewskis Student Raskolnikow schon
vor einem Menschenalter ausgesprochen und ausgelebt, was man den Nietz-
scheschen Grundgedanken nennen könnte, wenn es bei Nietzsche überhaupt
auf einen dogmatisch fixierbaren Grundgedanken ankäme." (Conrad 1888, zi-
tiert nach Reich 2013, 676) Dieser Auffassung ist wiederum Köselitz, wenn er
Overbeck am 14. 11. 1887 schreibt, mit GM sei N. dem Publikum mehr entgegen-
gekommen als je zuvor: „Denn jetzt steht es völlig klar da, was er will und wie
ihm die ganze Vergangenheit erscheint. Die Kunst und Freiheit der Darstellung
in diesem Buch scheint mir ebenso gross, wie die Tiefe und Weite des Blicks
neu und original. Man hat durchaus das Gefühl, dass man hier an einer Kraft-
quelle ersten Ranges ist." (Overbeck/Köselitz 1998, 193) Overbeck antwortete
Köselitz am 01. 01. 1888, allerdings erst unter dem Lektüreeindruck der Ersten
Abhandlung von GM und durchaus verhalten: „N.'s Umkehrung der Ree'schen
Construction der Moral erscheint mir höchst plausibel, doch beklage ich aus
eigenem Geschmack nicht nur, sondern ebenso für die Wirkung des Buchs den
immer noch so höchst agitirten Ton und Stil in dem mir bekannten Theile. Ich
hatte ihn bei der Art des Buchs sich /195/ zunächst zu geben, insbesondere bei
seiner Absicht historisch zu verfahren so nicht erwartet. Bedürfen doch die
Thesen für sich selbst schon keines besonderen Accents um gellend vernehm-
lich zu sein." (Overbeck/Köselitz 1998, 194 f.) Am Folgetag, am 02. 01. 1888 un-
terrichtet Overbeck auch N. über seinen Lektüreeindruck, der auch da keines-
wegs so enthusiastisch ausfiel wie der des Jüngers Köselitz, bei dem man oft
genug ein hymnisch potenziertes Echo von N.s Selbstdarstellungen zu hören
wähnt. Overbeck hingegen gibt sich dem Freund und Autor gegenüber unver-
hohlen: „Ich habe nur das erste Buch wirklich lesen können, das denn gleich,
wie Du Dir nach meiner jetzigen Lage denken kannst, keine abschreckendere
Einleitung für mich haben kann als § 1 des ersten Buchs. Auch war ich emp-
findlicher als ich es vielleicht sonst gewesen wäre für das durchgängige Fortis-
 
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