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Stellenkommentar GM Vorrede 5, KSA 5, S. 252 77

17[7], 528 f.). Für die Kontamination von Schopenhauer, Pessimismus, Nihilis-
mus und Zeitkulturkritik nicht ohne Belang dürfte neben Stellen wie bei Brune-
tiere 1884, 43 f. (zitiert in Kuhn 1992, 50) N.s Lektüre von Eugene de Roberty
L'ancienne et la nouvelle philosophie gewesen sein: „Kant n'est parvenu qu'ä
porter ä la metaphysique un coup dont elle n'a jamais pu se relever; le nihilis-
me pessimiste de Schopenhauer est la consequence inevitable de cette tentati-
ve. L'impossibilite d'une conception metaphysique du monde une fois recon-
nue, il ne restait dans les premiers moments de stupeur que sa contre-partie, —
la negation metaphysique de l'univers." (Roberty 1887, 52. Von N. mit Rand-
strich markiert, seine Unterstreichungen. „Kant ist nur dahin gelangt, der Me-
taphysik einen Schlag zu versetzen, von dem sie sich niemals wieder erholen
konnte; der pessimistische Nihilismus von Schopenhauer ist die unvermeidli-
che Folge dieses Versuches. War die Unmöglichkeit einer metaphysischen Kon-
zeption der Welt einmal erkannt, blieb in den ersten Augenblicken der Verblüf-
fung nur sein Gegenstück übrig - die metaphysische Negation des Univer-
sums." Vgl. auch ebd., 239 u. 246).
Der Buddhismus wird bei N. in Anlehnung an die zeitgenössische Religi-
onswissenschaft (Müller 1869, 204) gelegentlich als nihilistisch dargestellt und
in AC 20, KSA 6, 186, 5 zusammen mit dem Christentum explizit zu einer nihi-
listischen Religion erklärt. Bekanntlich spielen Leiden und Mitleiden im Bud-
dhismus eine wichtige Rolle (vgl. z. B. NK KSA 5, 81, 29-82, 4), was zur Attrakti-
vität des Buddhismus für Schopenhauer wesentlich beigetragen hat. Die
Vorstellung eines europäischen Buddhismus als typischer Niedergangserschei-
nung, in der sich Lebensunwille manifestiere, deutet auch JGB 202, KSA 5, 125,
1-126, 3 an, wo diese Vorstellung zudem mit der zeitgenössischen Tendenz zur
Demokratie assoziiert wird. In der von N. gerne konsultierten Culturgeschichte
Friedrich von Hellwalds erscheint der Buddhismus als „Religion, welche die
Glückseligkeit in der Ruhe, der Unthätigkeit sucht" (Hellwald 1883-1884, 1,
186).
252, 22-28 Diese moderne Philosophen-Bevorzugung und Überschätzung des
Mitleidens ist nämlich etwas Neues: gerade über den Unwerth des Mitleidens
waren bisher die Philosophen übereingekommen. Ich nenne nur Plato, Spinoza,
La Rochefoucauld und Kant, vier Geister so verschieden von einander als mög-
lich, aber in Einem Eins: in der Geringschätzung des Mitleidens. —] Die Haltung
der Philosophen dem Mitleid gegenüber ist durchaus nicht einhellig, aber die
vier in GM Vorrede 5 genannten Autoren können tatsächlich als Mitleidsgegner
angeführt werden. In Platons Idealstaat wird das Mitleid sowohl in Fragen der
Erziehung wie der Herrschaftsübung für problematisch erachtet (Politeia 387e
[Wehklagen über eigene Verluste], 415c und 605c-606b). Baruch de Spinoza
gab sich, was N. beispielsweise aus Kuno Fischers Geschichte der neuern Philo-
 
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