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Stellenkommentar GM I 5, KSA 5, S. 262 105

in einem Aufsatz von Emile Littre vertraut gemacht (Littre 1876, 478-521), und
u. a. auch bei Strauß 1872, 63 (Anstreichung N.s) war N. ihm begegnet (vgl. zu
N.s Buckle-Rezeption Brobjer 2008a, 149-152 u. Nietzsche 1998, 131 f. Der Hin-
weis bei Marc Sautet (Nietzsche 1990, 249) auf Dostojewskijs L'esprit souterrain
als Inspirationsquelle für N.s Buckle-Interesse scheint nicht zuzutreffen: In der
N. vorliegenden Übersetzung des Werks - Dostoievsky [1886b] - wird Buckle
offensichtlich nicht erwähnt). Für Buckles Willfährigkeit dem gemeinen Volk
gegenüber, seinen „Plebejismus" und sein „demokratische[s] Vorurtheil"
(262, 7) stehen in der Geschichte der Civilisation in England exemplarisch Passa-
gen wie die Folgende: „Alles was [sc. seit Beginn des 19. Jahrhunderts in Eng-
land] vorging, verstärkte den Einfluss des Volks. Schlag auf Schlag fiel gegen
die Klassen, welche einst die Macht allein in Besitz hatten. Die Reformbill, die
Emancipation der Katholiken und die Zurücknahme der Korngesetze sind ein-
gestandener Maassen die drei grössten Erfolge in unserer Generation. [...] Diese
und andere jetzt offenbar unumgängliche Maassregeln haben bestimmten
Klassen der Gesellschaft Macht entzogen und werden ihnen noch mehr ent-
ziehn, um sie dem Volk im Ganzen und Grossen zu übertragen. Ja, der reissen-
de Fortschritt demokratischer Ansichten ist eine Thatsache, die heutiges [sic]
Tages niemand mehr zu leugnen wagt. Furchtsame und unwissende Men-
schen /435/ lassen sich durch die Bewegung beunruhigen; dass sie aber vor-
handen ist, weiss alle Welt. Kein Mensch spricht mehr davon, dem Volk einen
Zügel anzulegen oder seinen einmüthigen Wünschen sich zu widersetzen"
(Buckle 1860, 434 f.).
Die Schlamm-Metapher konnte N. bei Frary 1884, 179 auf demagogische
Staatsmänner angewandt finden, deren Politik zwar der Moral zuwiderläuft,
für die diese Moral aber paradoxerweise ein Ideal darstelle. N. hat den folgen-
den Satz mit Randstrich markiert: „Um ohne Ekel oder Erschlaffung im
Schlamme waten zu können, darf man den Blick nicht zu Boden senken, son-
dern man muss ihn zu den weiten Firnen erheben, die den Himmel berühren."

5.
GM I 5 will etymologisch erhärten, dass in diversen Sprachen bei „gut" nicht
nur die soziale, politische und ökonomische Vormachtstellung einer archai-
schen Elite noch immer mitschwinge, sondern „gut" auch das charakterliche
Selbstverständnis dieser Elite im Unterschied zum gemeinen Volk, von dem sie
sich abgrenzt, zum Ausdruck bringe. Der Fokus verschiebt sich im Laufe der
detaillierten sprachgeschichtlichen Erörterung von der Frage nach dem im Be-
griff von „gut" kondensierten „typischen Charakterzuge" (262, 31) hin
 
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