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172 Zur Genealogie der Moral

dem Widerspruch [...] nicht anders fertig zu werden"). In N.s Bibliothek hat
sich ein durchschossenes Exemplar von August Steitz' Kommentar Die Werke
und Tage des Hesiodos erhalten. Auf den leeren Zwischenblättern hat N. hand-
schriftlich sehr ausführlich die Weltalter-Passagen glossiert (Steitz 1869, 50—
58) - die meisten dieser Notate dürften aus N.s Zeit als Basler Philologie-Profes-
sor stammen, andere verraten allerdings auch die Handschrift der 1880er Jah-
re. Bei Steitz hat N. auch die rezeptionsgeschichtliche Erklärung von M 189
vorgeprägt gefunden: „Obgleich aber Hesiod den Glanz und die Macht des
Adels unbestritten lässt, so nimmt doch das Volk an den Erinnerungen der
Heroenzeit kein lebhaftes Interesse. Den Ruhm glücklicher Kriege theilte es zu
wenig um noch nach Jahrhunderten darauf stolz zu sein, hingegen muss der
Krieg an sich dem Landvolk geradezu als grösstes Uebel erscheinen." (Ebd.,
57) Auf die Inkonsistenz, die M 189 und GM I 11 ausdeuten, hat Steitz ebenfalls
hingewiesen: „Für Hesiod ist die Schilderung des eisernen Alters — des fünften
bei ihm — eigentlicher Zweck und Ziel seiner ganzen Dichtung und er stellt
dessen Verdorbenheit besonders der Trefflichkeit des heroischen gegenüber,
von dem er ein wo möglich noch grösserer Bewunderer als Homer ist ([...]). In
der That aber ist durch Hereinziehung des Heroenalters Incongruenz in das
Gedicht gekommen. Der hier verarbeitete Mythus kannte nur vier Weltalter,
nach den Metallen benannt und jedes folgende den früheren nachstehend. Der
Dichter schob das heroische ein, weil er dieses durch Sage und Lieder hoch
verherrlichte nicht mit dem dritten, dem eisernen, identificiren wollte, mit dem
es doch im Sinne der Erfindung jenes Mythus identisch war. So wird freilich
der Gedanke desselben zerstört, denn es unterbricht ein besseres Geschlecht die
zunehmend schlechteren und nun müssen sich die beiden Bilder der Heroenzeit
zu einer künstlichen Scheidung bequemen: die Recken des ehernen Alters wer-
den mit ihren Thaten aus der Sagengeschichte gestrichen" (Steitz 1869, 61).
276, 19 übertünchend] Im Druckmanuskript steht: „überfluthend" (GSA 71/
27,1, fol. 13r).
276, 19-30 Gesetzt, dass es wahr wäre, was jetzt jedenfalls als „Wahrheit" ge-
glaubt wird, dass es eben der Sinn aller Cultur sei, aus dem Raubthiere
„Mensch" ein zahmes und civilisirtes Thier, ein Hausthier herauszuzüchten, so
müsste man unzweifelhaft alle jene Reaktions- und Ressentiments-Instinkte, mit
deren Hülfe die vornehmen Geschlechter sammt ihren Idealen schliesslich zu
Schanden gemacht und überwältigt worden sind, als die eigentlichen Werkzeu-
ge der Cultur betrachten; womit allerdings noch nicht gesagt wäre, dass de-
ren Träger zugleich auch selber die Cultur darstellten. Vielmehr wäre das Ge-
gentheil nicht nur wahrscheinlich — nein! es ist heute augenscheinlich!] Die
Überlegung beginnt - wie beispielsweise JGB 36, KSA 5, 54, 19 - mit einem
 
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