206 Zur Genealogie der Moral
per ignem; tune spectandus auriga in flammea rota totus rubens, tune xystici
contemplandi non in gymnasiis, sed in igne jaculati, nisi quod ne tune quidem
illos velim vivos, ut qui malim ad eos potius conspectum insatiabile m confer-
re, qui in dominum desaevierunt. „Hic est ille, dicam, fabri aut quaestuariae filius
(wie alles Folgende und insbesondere auch diese aus dem Talmud bekannte Be-
zeichnung der Mutter Jesu zeigt, meint Tertullian von hier ab die Juden), sabbati
destructor, Samarites et daemonium habens. Hic est, quem a Juda redemistis,
hic est ille arundine et colaphis diverberatus, sputamentis dedecoratus, feile et
aceto potatus. Hic est, quem clam discentes subripuerunt, ut resurrexisse dicatur
vel hortulanus detraxit, ne lactucae suae frequentia commeantium laederentur."
Ut talia spectes, ut talibus exultes, quis tibi praetor aut consul aut quaestor
aut sacerdos de sua liberalitate praestabit? Et tarnen haec jam habemus quo-
dammodo per fidem spiritu imaginante repraesentata. Ceterum qualia illa
sunt, quae nec oculus vidit nec auris audivit nee in cor hominis ascenderunt? (I.
Cor. 2, 9.) Credo circo et utraque cavea (erster und vierter Rang oder, nach Ande-
ren, komische und tragische Bühne) et omni stadio gratiora."] Der Autor dieser
Zeilen wird erst in 285, 10 beim Namen genannt, nämlich der altkirchliche
Schriftsteller Septimius Florens Quintus Tertullianus (ca. 150-220 n. Chr.), der
zwar im katholisch-dogmatischen Sinn kein „Kirchenvater[.]" (284, 11) war,
weil er schließlich zu den radikalen Montanisten übergetreten sein soll, jedoch
auch in der zeitgenössischen Handbuchliteratur als solcher geführt wird (z. B.
Meyer 1885-1892, 15, 719). Mit Tertullian ist N. bei seinen Lektüren etwa in der
Übersetzung und den Erläuterungen von Arnobius' Sieben Bücher wider die
Heiden (mit über 80 Tertullian-Stellen) in Berührung gekommen (KGW IX 6, W
II 1, 123, 26-36 = NL 1887, KSA 12, 9[15], 345, 11-19 ist beispielsweise ein Exzerpt
nach Arnobius 1842, 240). Zu 284, 10-285, 22 hat jedoch eine Stelle in Leckys
Geschichte des Ursprungs und Einflusses der Aufklärung in Europa den Anstoß
gegeben: „Es bedarf nicht vieler Kenntniss der menschlichen Natur zu bemer-
ken, dass der Geist eines Torquemada gewöhnlicher, als der eines Xavier sein
muss. / Dass dies wirklich der Fall war, muss Jedem, der nicht absichtlich ge-
gen die Geschichte der Christenheit blind ist, in die Augen fallen. Ich habe
jenes Schriftstellers gedacht, der in dem zweiten Jahrhundert die Lehre von der
ewigen Feuerstrafe als Einschüchterungsmittel am nachdrücklichsten erörter-
te. In einem anderen seiner Werke zeigte er sehr klar die Wirkung, welche sie
auf seinen eigenen Charakter hatte. Er hatte eine Abhandlung geschrieben, um
die Christen seiner Zeit von dem Besuche der öffentlichen Schauspiele abzu-
mahnen. Er hatte viele Beweise über den Gegenstand, einige sehr gewichtige
und andere äusserst wunderliche gesammelt, er merkte aber, dass, um seinen
Ermahnungen für die Mehrzahl der Leser Nachdruck zu geben, er ihnen eine
entgegengesetzte Anziehungskraft zeigen musste. Demgemäss ging er daran —
per ignem; tune spectandus auriga in flammea rota totus rubens, tune xystici
contemplandi non in gymnasiis, sed in igne jaculati, nisi quod ne tune quidem
illos velim vivos, ut qui malim ad eos potius conspectum insatiabile m confer-
re, qui in dominum desaevierunt. „Hic est ille, dicam, fabri aut quaestuariae filius
(wie alles Folgende und insbesondere auch diese aus dem Talmud bekannte Be-
zeichnung der Mutter Jesu zeigt, meint Tertullian von hier ab die Juden), sabbati
destructor, Samarites et daemonium habens. Hic est, quem a Juda redemistis,
hic est ille arundine et colaphis diverberatus, sputamentis dedecoratus, feile et
aceto potatus. Hic est, quem clam discentes subripuerunt, ut resurrexisse dicatur
vel hortulanus detraxit, ne lactucae suae frequentia commeantium laederentur."
Ut talia spectes, ut talibus exultes, quis tibi praetor aut consul aut quaestor
aut sacerdos de sua liberalitate praestabit? Et tarnen haec jam habemus quo-
dammodo per fidem spiritu imaginante repraesentata. Ceterum qualia illa
sunt, quae nec oculus vidit nec auris audivit nee in cor hominis ascenderunt? (I.
Cor. 2, 9.) Credo circo et utraque cavea (erster und vierter Rang oder, nach Ande-
ren, komische und tragische Bühne) et omni stadio gratiora."] Der Autor dieser
Zeilen wird erst in 285, 10 beim Namen genannt, nämlich der altkirchliche
Schriftsteller Septimius Florens Quintus Tertullianus (ca. 150-220 n. Chr.), der
zwar im katholisch-dogmatischen Sinn kein „Kirchenvater[.]" (284, 11) war,
weil er schließlich zu den radikalen Montanisten übergetreten sein soll, jedoch
auch in der zeitgenössischen Handbuchliteratur als solcher geführt wird (z. B.
Meyer 1885-1892, 15, 719). Mit Tertullian ist N. bei seinen Lektüren etwa in der
Übersetzung und den Erläuterungen von Arnobius' Sieben Bücher wider die
Heiden (mit über 80 Tertullian-Stellen) in Berührung gekommen (KGW IX 6, W
II 1, 123, 26-36 = NL 1887, KSA 12, 9[15], 345, 11-19 ist beispielsweise ein Exzerpt
nach Arnobius 1842, 240). Zu 284, 10-285, 22 hat jedoch eine Stelle in Leckys
Geschichte des Ursprungs und Einflusses der Aufklärung in Europa den Anstoß
gegeben: „Es bedarf nicht vieler Kenntniss der menschlichen Natur zu bemer-
ken, dass der Geist eines Torquemada gewöhnlicher, als der eines Xavier sein
muss. / Dass dies wirklich der Fall war, muss Jedem, der nicht absichtlich ge-
gen die Geschichte der Christenheit blind ist, in die Augen fallen. Ich habe
jenes Schriftstellers gedacht, der in dem zweiten Jahrhundert die Lehre von der
ewigen Feuerstrafe als Einschüchterungsmittel am nachdrücklichsten erörter-
te. In einem anderen seiner Werke zeigte er sehr klar die Wirkung, welche sie
auf seinen eigenen Charakter hatte. Er hatte eine Abhandlung geschrieben, um
die Christen seiner Zeit von dem Besuche der öffentlichen Schauspiele abzu-
mahnen. Er hatte viele Beweise über den Gegenstand, einige sehr gewichtige
und andere äusserst wunderliche gesammelt, er merkte aber, dass, um seinen
Ermahnungen für die Mehrzahl der Leser Nachdruck zu geben, er ihnen eine
entgegengesetzte Anziehungskraft zeigen musste. Demgemäss ging er daran —