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220 Zur Genealogie der Moral

Böse'... Dies heisst zum Mindesten nicht Jenseits von Gut und Schlecht.' —
—" (288, 19-24) Aber auch dieser scheinbar so eindeutige Positionsbezug zu-
gunsten einer Weltsicht, die das sklavenmoralische „Gut und Böse" hinter sich
gelassen hat, bleibt im Modus der fragenden Hypothese: Was „will" dieses
„Ich", wenn es will, dass man sich in ein Jenseits von Gut und Böse begebe,
aber nicht in ein Jenseits von Gut und Schlecht? Will es zurück? Will es vor-
wärts? Was wäre das Eine, was das Andere? Die scheinbar so eindeutigen Posi-
tionen verflüchtigen sich in Problemanzeigen.
288, 22-24 Dies heisst zum Mindesten nicht „Jenseits von Gut und Schlecht."]
Tatsächlich gibt es einen Titelblattentwurf, der eine „philosophische Streit-
schrift" mit dem Titel „Jenseits von Gut und Schlecht?" ,,[z]ur Ergän-
zung und Verdeutlichung des letztveröffentlichten/Buches Jenseits v. Gut und
Böse'" in Aussicht stellt (NL 1886/87, KSA 12, 6[2], 231, 5-9, vgl. auch NK 245,
2). Der Rückbezug auf JGB am Ende von GM I stellt noch einmal heraus, dass
GM als Explikation und Appendix zu jenem Werk gedacht war.

Anmerkung.
Die „Anmerkung", bei der in KGW und KSA der Eindruck entsteht, sie gehöre
zu GM I 17, ist in der Erstausgabe durch einen großen Leerraum und einen
langen Strich in der Seitenmitte deutlich vom vorangegangenen Abschnitt ab-
gesetzt und bezieht sich somit auf die gesamte Erste Abhandlung. Die Schrift-
größe ist sehr klein. N. hatte diese „Anmerkung" nachgeschoben, während ihm
vom Verleger Naumann bereits die Korrekturfahnen zugesandt wurden: „In ei-
nem Briefe, den ich zugleich mit dieser Karte absende, liegt das Manuscript
einer längeren Anmerkung, die an den Schluß der ersten Abhandlung (in
den leeren Raum daselbst) zu rücken ist." (N. an Naumann, 18. 08. 1887, KSB 8/
KGB III 5, Nr. 892, S. 130, Z. 9-12) Es handelt sich, wie eine Klammerbemerkung
im Brief an Köselitz vom 30. 08. 1887 konkretisiert, um eine Anmerkung „für
Gelehrte" (KSB 8/KGB III 5, Nr. 899, S. 138, Z. 46). Und tatsächlich kommt die
Anmerkung zunächst so daher, weil sie „einen Wunsch öffentlich und förm-
lich" (288, 26) ausdrückt, dass nämlich eine philosophische Fakultät „eine Rei-
he akademischer Preisausschreiben" zur „Förderung moralhistorischer
Studien" (288, 29 f.) veranstalte. Das „Ich" nennt dann auch gleich eine kon-
krete Preisfrage, die man ausloben könne, nämlich welche Erkenntnisse die
Sprachwissenschaft, namentlich die Etymologie für die „Entwicklungsge-
schichte der moralischen Begriffe" (289, 5 f.) zeitigen könne (vgl.
dazu Hartung 1994, 313). Bis hierher bleibt die „Anmerkung" im akademischen
 
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