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Stellenkommentar GM II 3, KSA 5, S. 295 249

schicht (GSA 71/27,1, fol. 22r). Beide Ausdrücke verwendet N. in seinen Werken
nur hier, das Adjektiv „mnemotechnisch" in Bezug auf die „Mittel", Erinne-
rung zu erzeugen, nur noch in NL 1879, KSA 8, 42[61], 606, 17, siehe NK 295,
14 f. N. ist, wie aus seinem Brief an Erwin Rohde vom 06. 06. 1868 hervorgeht,
„Mnemonik" schon als Student geläufig, obschon nicht in einem schulmäßigen
Sinn, wenn er vom gemeinsamen Studienkollegen Ernst Windisch berichtet,
dieser sei „eine lebendige Mnemonik unsrer Leipziger Vorzeit" (KSB 2/KGB I 2,
Nr. 574, S. 286, Z. 13). Im zeitgenössischen, allgemeinen Sprachgebrauch wer-
den „Mnemotechnik" und „Mnemonik" vollständig synonym gebraucht: „Mne-
monik (Mnemotechnik, Anamnestik, griech.), Gedächtniskunst" (Meyer 1885-
1892, 11, 696); „Mnemonik (grch.), Mnemotechnik oder Gedächtniskunst, die
Kunst, durch eine besondere Methode die Leistungen des Gedächtnisses zu
steigern" (Brockhaus 1894-1896, 11, 949). Von diesem allgemeinen Wortge-
brauch, der sich wesentlich auch der weiten Verbreitung von populären Ge-
dächtniskunstanleitungen und -ratgebern mit „Mnemonik" oder „Mnemotech-
nik" im Titel (z. B. schon Aretin 1810, später z. B. Reventlow 1843 u. Kothe 1887)
verdankte, weicht GM II 3 nicht ab; es gibt entgegen den Suggestionen man-
cher Sekundärliteraten in diesem Abschnitt (und auch sonst bei N.) keinerlei
semantische Differenz zwischen „Mnemotechnik" und „Mnemonik", ebenso
wenig eine besondere inhaltliche Aufladung des Begriffs, so sehr N. über Um-
wege neuere Erkenntnisse aus der physiologischen Gedächtnisforschung zuge-
tragen worden sein könnten; die bahnbrechenden Werke von Theodule Ribot
(Ribot 1882, dazu Thüring 2001b, 311-324) und Hermann Ebbinghaus (Ebbing-
haus 1885, dazu Stegmaier 1994, 134) hat er wohl nicht gelesen. Charakteris-
tisch für den Zugang zum Gedächtnisproblem in GM ist erstens der Aspekt der
Verzeitlichung: Gedächtnis entsteht erst im Zuge der Menschheitsgeschichte.
Zweitens der Aspekt der Verleiblichung: Gedächtnis entsteht zunächst durch
körperliche Einwirkung, genauer: körperliche Gewalteinwirkung. Und drittens
der Aspekt der Konditionierung: Nur die Wiederholung, das Einpauken macht
Gedächtnis - was N. wohl schon als Kind an sich selbst erfahren hat, als er sich
beispielsweise den Gedächtniß-Uebungen zur Nahrung für Verstand und Herz
für Kinder von sechs bis neun Jahren unterziehen musste, die sich unter seinen
Büchern erhalten haben und den Kindern durch das unentwegte Eintrichtern
frommer Sprüche ein Gedächtnis machen wollen ([Dinter] 1845).
N. steht bei seinem Wortgebrauch auch die rhetorische Tradition der Mne-
monik oder Mnemotechnik vor Augen: Der antike Redner sollte imstande sein,
frei zu sprechen und bedurfte deswegen eines guten Gedächtnisses, zu dem
ihm die mit imaginierten Orten und Plätzen zur Stoffverteilung operierende
Gedächtniskunst verhelfen sollte, deren Erfindung man traditionell Simonides
(Cicero: De oratore II 352 f.) zuschreibt. In seiner während des Wintersemesters
 
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